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demokratischen Interessen der Völker. Dadurch ist die soziale Politik auch in
jenen Ländern zur Ohnmacht verurteilt worden, wo die Parteiführer ihren
Plichten getreugeblieben sind: in Rußland, Serbien, Italien und — mit einer
Ausnahme — Burlgarien.
4. Indem die offizielle Sozialdemokratie der führenden Länder den Klassen-
kampf im Kriege preisgab und auf die Zeit nach dem Kriege verschob, hat
sie den herrschenden Klassen in allen Ländern Frist gewährt, ihre Positionen
auf Kosten des Proletariats wirtschaftlich, politisch und moralisch ungeheuer
zu stärken.
5. Der Weltkrieg dient weder der nationalen Verteidigung noch den wirt-
schaftlichen oder politischen Interessen irgendwelcher Volksmassen,er ist lediglich
eine Ausgeburt imperialistischer Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Klassen
verschiedener Länder um die Weltherrschaft und das Monopol in der Aussaugung
und Unterdrückung der noch nicht vom Kapital beherrschten Gebiete. In der
Ara dieses entfesselten Kapitalismus kann es keine nationalen Kriege mehr
geben. Die nationalen Interessen dienen nur als Täuschungsmittel, um die
arbeitenden Volksmassen ihrem Todfeind, dem Imperialismus, dienstbar zu
machen.
6. Aus der Politik der imperialistischen Staaten und aus dem imperialisti-
schen Kriege kann für keine unterdrückte Nation Freiheit und Unabhängigkeit
hervorsprießen. Die kleinen Nationen, deren herrschende Klassen Anhängsel und
Mitschuldige ihrer Klassengenossen in den Großstaaten sind, bilden nur Schach-
figuren in dem imperialistischen Spiel der Großmächte und werden ebenso wie
deren arbeitende Massen während des Krieges als Werkzeug mißbraucht, um
nach dem Kriege den kapitalistischen Interessen geopfert zu werden.
7. Der heutige Weltkrieg bedeutet unter diesen Umständen bei jeder Nieder-
lage und bei jedem Sieg eine Niederlage des Sozialismus und der Demokratie.
Er treibt bei jedem Ausgang — ausgenommen die revolutionäre Intervention
des internationalen Proletariats — zur Stärkung des Militarismus, der inter-
nationalen Gegensätze der weltwirtschaftlichen Rivalitäten. Er steigert die kapi-
talistische Ausbeutung und die innerpolitische Reaktion, schwächt die öffentliche
Kontrolle und drückt die Parlamente zu immer gehorsameren Werkzeugen des
Militarismus herab. Der heutige Weltkrieg entwickelt so zugleich alle Voraus=
setzungen neuer Kriege.
8. Der Weltfriede kann nicht gesichert werden durch utopische oder im Grunde
reaktionäre Pläne wie internationale Schiedsgerichte kapitalistischer Diplomaten,
diplomatische Abmachungen über „Abrüstung“, „Freiheit der Meere“, „Ab-
schaffung des Seebeuterechts“, „europäische Staatenbünde“, „mitteleuropäische
Zollvereine“, nationale Pufferstaaten und dergleichen. Imperialismus, Mili-
tarismus und Kriege sind nicht zu beseitigen oder einzudämmen, solange die
kapitalistischen Klassen unbestritten ihre Klassenherrschaft ausüben. Das einzige
Mittel, ihnen erfolgreich Widerstand zu leisten, und die einzige Sicherung des
Weltfriedens ist die politische Aktionsfähigkeit und der revolutionäre Wille des
internationalen Proletariats, seine Macht in die Wagschale zu werfen.