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Arbeiter! Parteigenossen! Genug des Brudermords! Der 1. Mai kommt
als Mahner, er pocht an eure Herzen, an euer Gewissen. Der Verrat am So-
zialismus, an der internationalen Solidarität der Arbeiter hat die Völker ins
Verderben des Weltkriegs gestürzt. Nur die Rückkehr zum Evangelium des
völkerbefreienden Sozialismus, zur proletarischen Internationale kann die
Völker, die Kultur, die Arbeitersache aus dem Abgrund retten. Zeigt am 1. Mai,
daß dieses Evangelium in euren Herzen und Hirnen lebt. Beweist den herrschen-
den Klassen, daß die Internationale, daß der Sozialismus nicht tot sind, daß sie
mit neuer Kraft, wie Phönir aus der Asche emporsteigen! Die proletarische
Internationale kann nicht in Brüssel, im Haag oder Bern durch ein paar Dutzend
Leute wieder aufgerichtet werden, sie kann nur aus der Tat der Millionen auf-
erstehen. Sie kann nur hier in Deutschland wie drüben in Frankreich, in England,
in Rußland auferstehen, wenn die Massen der Arbeiter allenthalben selbst die
Fahne des Klassenkampfes ergreifen und ihre Stimme mit Donnergewalt gegen
den Völkermord erschallen lassen.
Arbeiter, Parteigenossen und ihr Frauen des Volkes! Laßt diesen zweiten
Maifeiertag des Weltkrieges nicht vorübergehen, ohne ihn zur Kundgebung des
internationalen Sozialismus, zum Protest gegen die imperialistische Metzelei
zu gestalten. Am 1. Mai reichen wir über alle Grenzsperren und Schlachtfelder
hinweg die Bruderhand dem Volke in Frankreich, in Belgien, in Rußland, in
England, in Serbien, in der ganzen Welt! Am 1. Mai rufen wir vieltausend-
stimmig:
Fort mit dem ruchlosen Verbrechen des Völkermordes! Nieder mit seinen
verantwortlichen Machern, Hetzern und Nutznießern! Unsere Feinde sind nicht
das französische, russische oder englische Volk, das sind die deutschen Junker,
die deutschen Kapitalisten und ihr geschäftsführender Ausschuß: die deutsche
Regierung! Auf, zum Kampfe gegen diese Todfeinde jeglicher Freiheit, zum
Kampfe um alles, was das Wohl und die Zukunft der Arbeitersache, der Mensch-
heit und der Kultur bedeutet!
Schluß mit dem Kriege! Wir wollen den Frieden!
Hoch der Sozialismus! Hoch die Arbeiterinternationale!
Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
12. Aufruf zum Januarstreik.
Arbeiterinnen! Arbeiter!
Auf, zum Massenstreik! Auf, zum Kampf! Soeben hat das österreichisch-
ungarische Proletariat ein mächtiges Wort gesprochen. Fünf Tage lang ruhte
die Arbeit in allen Betrieben in Wien, Budapest usw. im ganzen Reiche. In Wien
haben die Arbeiter den Straßenbahnverkehr eingestellt, auch der Eisenbahnverkehr
wurde zum Teil lahmgelegt, es erschien keine einzige Zeitung. An vielen Orten
kam es zu einer offenen Erhebung der Bevölkerung und zum Kampf mit der
Regierungsmacht. In Prag und Budapest wurde die Republik proklamiert
In Wien hielten die Arbeiter die Brücken besetzt, um das Eindringen der Polizei
in die Arbeiterviertel zu verhindern.