Full text: Volksvergiftung 1914-1918.

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In schlotternder Angst vor der drohenden Revolution war die Zentral- 
regierung gezwungen, den nach Muster der russischen Revolution gewählten 
Wiener Arbeiterrat anzuerkennen und mit ihm zu verhandeln. Sie beeilte sich, 
Konzessionen zu machen, um die Bewegung einzudämmen, wobei ihr natürlich 
die Regierungssozialisten und die Gewerkschafts führer freiwillig Handlanger- 
dienste leisteten. 
Die Aufhebung der Militarisierung der Betriebe, die Aufhebung des Arbeits- 
zwangsgesetzes, die Erfüllung der Arbeiterforderungen in den Ernährungs- 
fragen, gleiches und allgemeines Wahlrecht für Frauen und Männer bei den 
Gemeindewahlen, Versprechen, bei den Friedensverhandlungen mit Rußland 
auf alle Annexionsabsichten zu verzichten, — dies sind die vorläufigen Zugeständ- 
nisse. Die historische Bedeutung des Arbeiteraufstandes in Osterreich-Ungarn 
liegt aber nicht in diesen Zugeständnissen, sondern in der Tatsache der Erhebung 
selbst. Die Bewegung ist zwar auf halbem Wege stehengeblieben, aber es ist 
dies der erste Schritt, dem andere folgen werden. Die Hilfe der deutschen Ar- 
beiter, unser Massenstreik, wird die Flamme der Revolution in der Doppel- 
monarchie zu neuem, mächtigen Brande entfachen! 
Arbeiterinnen und Arbeiter! Was unsere österreichisch-ungarischen Brüder 
angefangen haben, das müssen wir vollenden! 
Die Entscheidung der Friedensfrage liegt bei dem deutschen Proletariat! 
Unser Massenstreik soll kein kraftloser „Protest“ und kein von vornherein 
auf eine bestimmte Frist beschränkter hohler Demonstrationsstreik, sondern ein 
Machtkampf sein. Wir kämpfen so lange, bis unsere Mindestforderungen unver- 
kürzt verwirklicht worden sind: Aufhebung des Belagerungszustandes, der 
Zensur, aller Beschränkungen der Koalitions-, Streik-, Vereins= und Ver- 
sammlungefreiheit, Freilassung aller politischen Inhaftierten — dies sind die 
Bedingungen, die uns notwendig sind, um unseren Kampf um die Macht, um 
die Volksrepublik in Deutschland und einen sofortigen allgemeinen Frieden 
frei zu entfalten. 
Jeder Separatfriede führt zur Verlängerung und Verschärfung des Völker- 
mordens. Es gilt, um jeden Preis den Separatfrieden in einen allgemeinen 
Frieden zu verwandeln. Dies ist unser Ziel. 
Arbeiter! Bevor wir die Betriebe verlassen, müssen wir uns eine frei- 
gewählte Vertretung nach russischem oder österreichischem Muster schaffen mit 
der Aufgabe, diesen und die weiteren Kämpfe zu leiten. Jeder Betrieb wähle 
pro tausend beschäftigter Arbeiter je einen Vertrauensmann; Betriebe mit 
weniger als tausend Arbeitern wählen nur einen Vertreter. Die Vertrauens- 
männer der Betriebe müssen an jedem Orte sofort zusammentreten und sich als 
Arbeiterrat konstituieren. Außerdem wird für jeden Betrieb ein leitender Be- 
triebsausschuß gewählt. Sorgt dafür, daß die Gewerkschaftsführer, die Re- 
gierungssozialisten und andere „Durchhalter“ unter keinen Umständen in die 
Vertretungen gewählt werden. Heraus mit den Burschen aus den Arbeiter- 
versammlungen! Diese Handlanger und freiwilligen Agenten der Regierung, 
diese Todfeinde des Massenstreiks haben unter den kämpfenden Abeitern nichte 
Breithaupt, Volksvergiftung. 11
	        
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