— 78 —
politik des Ultramontanismus bedeutet also in keiner Weise einen
Kampf gegen den Glauben der Katholiken.
Die Verbindung zwischen dem Zentrum und der Sozialdemokratie
ist vom religiösen Standpunkt des Katholizismus aus geradezu ein
Verrat an der Kirche. In diesem Zusammenhang darf man wohl an
die Ausführungen Erzbergers erinnern, der einst schrieb!:
„Eine religionsfeindliche Politik führt die Völker in Elend
und Zerrüttung, religionsfreundliche Politik gibt den Staaten
Stärke, Gedeihen und Wachstum in den sonnigen Tagen des
Friedens und den schmerzensreichen Nächten nationalen Un-
glücks. Die Religion veredelt und adelt die Politik, die ohne
Religion nur zu einem Streit um die besseren Futterplätze herab-
sinkt. Der Sieg im politischen Kampfe wird daher auch trotz
aller Erschwernisse zufallen der christlichen Staatspolitik.“
Trotz dieser Erkenntnis scheute sich Erzberger nicht, sich zum
Handlanger der Revolution für die Sozialdemokratie, die er einst
„eine Krankheit des Herzens und eine Verirrung des Willens“ nannte,
zu machen. Die Politik von Erzberger über den ehemaligen
Reichskanzler Wirth, der das meuchelmörderische Wort „Der Feind
steht rechts“ prägte, bis zum letzten ultramontanen Kanzler Marr,
der in seiner berühmten Kölner Wahlrede dem deutschen Volk die
Franzosen auf den Hals hetzte, um es seinem politischen Erziehungs-
werk gefügiger zu machen, ist eine ununterbrochene Kette der
Preisgabe der nationalen Selbstbehauptung und Ehre des
deutschen Volkes.
Der letzte Kanzler des Deutschen Kaiserreichs, Prinz Max von
Baden, hat die Friedensresolution des 19. Juli „ein scheußliches
Kind der Angst und der Berliner Hundstage“ genannt. Das mag
sie gewesen sein. Ihre geschichtliche Bedeutung liegt aber wesentlich
tiefer und wird von keinem treffender gekennzeichnet als von Erz-
berger, dem Vater dieser Resolution, der schrieb?:
„Die Friedensresolution wurde der Ausgangspunkt und das
feste Band für eine sietige Mehrheit im Reichstage und so der
Anfang des „Parlamentarischen Systems“.“
1 Erzberger, „Politik und Völkerleben“, 1914.
2 Erzberger, „Erlebnisse im Weltkrieg“, S. 269.