Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Bülow an den 
Kriegsminister 
v. Einem 
XV. KAPITEL 
Bülows grundsützliche Stellung als Reichskanzler gegenüber der Heeresleitung + Sein 
Schreiben an den Kriegsminister von Einem (1. Juli 1906) - Die Unterschätzung der 
Technik durch unsere Militärs « Bülows Brief an seinen Bruder, den Gesandten Alfred 
von Bülow in Bern, über die innere und außenpolitische Lage » Bülows Glück- 
wunschschreiben an den Kaiser anläßlich der Entbindung der Kronprinzessin « Ein 
„Privatissimum‘“ für Wilhem II. 
eit den ersten Tagen meiner Amtsführung als Reichskanzler hatte ich 
an dem Grundsatz festgehalten, mich im Frieden in militärische Ange- 
legenheiten nicht einzumischen, während ich andererseits fest entschlossen 
war, im Fall eines großen Kriegs der politischen Führung, die letzten Endes 
ausschlaggebend bleibt und bleiben muß, unter allen Umständen die Ober- 
hand zu sichern. Ich hatte vor mir das große Vorbild Bismarcks, der Moltke 
gegenüber in den kritischen Tagen des Beginnes des Krieges von 1866 wie 
während des ganzen Deutsch-Französischen Krieges diesen Standpunkt 
mit unbeugsamer Energie behauptet hatte. Die schwere Sorge aber, mit 
der ich zu Beginn des Jahres 1906 die Weltlage betrachten mußte, veran- 
laßte mich zum Abgehen von meinem Grundsatz, in Friedenszeiten die 
Arbeit des Militärs nicht durch politische Erwägungen zu stören. 
Am 1. Juli 1906 hatte ich aus Norderney das nachfolgende Schreiben 
an den Kriegsminister von Einem gerichtet: „Bei der Lektüre französischer 
Zeitungen ist mir seit Monaten aufgefallen, daß in denselben viel von den 
großen Vorbereitungen die Rede ist, die Frankreich seit einem Jahr auf 
militärischem Gebiet getroffen hat. Man spricht von vielen hundert Mil- 
lionen, die Frankreich zu diesem Zwecke aufgebraucht hat. Es ist mir mit 
Gottes Hilfe gelungen, aus der Marokko-Frage Deutschland in einer Weise 
herauszuführen, die unter voller Wahrung unserer Rechte, unserer Inter- 
essen und unserer Würde uns den Frieden erhalten hat. Nach mensch- 
licher Voraussicht werden wir einige Jahre der Ruhe und des Friedens 
haben. Das Friedens- und Ruhebedürfnis in der Welt ist sehr groß. 
Ihnen, verehrter Freund, brauche ich aber nicht zu sagen, daß in einigen 
Jahren und, wenn es wider Hoffen und Erwarten ginge, schon früher die 
Lage eine ganz andere sein könnte. Es ist viel Neid, Haß und Feindschaft 
gegen uns in der Welt vorhanden. Die englische Abneigung und Eifersucht
	        
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