Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

XVIU. KAPITEL 
Wilbelm II. und das Zentrum - Zusammentritt des Reichstags - Prinz Arenberg über 
die Politik des Zentrums +» Brief des Fürsten Lichnowsky an Bülow + Philipp Eulenburg 
über die Stimmung Wilhelms II. - Eulenburgs Sorge für Bülows Gesundheit - Besuch 
des Generalstabschefs von Moltke +» Reichstagssitzung vom 14. XI. 1906 « Dernburg 
Kolonialdirektor » Sein erstes Auftreten im Reichstag - Fürst Bülow tritt für Dernburg 
ein + Angriffe Erzbergers auf die Kolonialverwaltung + Bülow erwägt die Auflösung des 
Reichstags » Die entscheidende Reichstagssitzung vom 13. XII. 1906 + Auflösung des 
Reichstags - Brief des Kardinals Kopp 
chon im Hochsommer 1906, während ich in Norderney weilte, hatte 
So aus der Umgebung Seiner Majestät gehört, daß der hohe Herr sich 
wieder in gereizter Stimmung gegen die Parteien im allgemeinen und gegen 
das Zentrum insbesondere befinde. Ich war in dieser Richtung so abge- 
brüht, daß ich mich durch die in Rede stehende Meldung nicht weiter beein- 
drucken ließ. Der Kaiser schwärmte an und für sich für keine Partei, was ich 
ihm nachfühlen konnte. Je nach der politischen Konstellation nahm er aber 
abwechselnd und rasch wechselnd die eine oder die andere Fraktion vor- 
zugsweise en grippe. Während der Kanalkämpfe richtete sich sein Zorn gegen 
die Konservativen. Später waren die Nationalliberalen schlecht angeschrie- 
ben. Auch die Freisinnigen fielen gelegentlich in Ungnade, obschon es 
gerade unter ihnen Männer gab, die er besonders achtete. Ich nenne in 
dieser Beziehung nur Mommsen und Virchow, die ihm freilich schon als 
alte Bismarckfeinde sympathisch waren. Aber auch Kämpf, Schrader, 
Heckscher konnte er gut leiden. Seit dem Lärm, den die Aufhebung des 
Paragraphen 2 des Jesuitengesetzes in politisch einsichtslosen Kreisen 
hervorgerufen hatte, auch unter dem Eindruck der Konversion der Land- 
gräfin Anna, die doch politisch gänzlich bedeutungslos war, trat bei Seiner 
Majestät eine stärkere Verstimmung gegen das Zentrum hervor, die durch 
die sachlich ungerechtfertigte und verkehrte Haltung verstärkt wurde, 
die diese Partei unter dem Einfluß des jungen Matthias Erzberger plötz- 
lich und unerwartet in kolonialen Fragen einnahm. 
Darüber hatte ich schon aus Norderney, im Juni 1906, an den Staats- 
sekretär von Tschirschky, der nur zu sehr geneigt war, jeden Stimmungs- 
wechsel Seiner Majestät mitzumachen und lediglich das Echo Seiner 
17 Bulow U 
Gereiztheit 
Wilhelms II. 
gegen das 
Zentrum
	        
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