Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

XXVIU. KAPITEL 
Frühstück auf der Englischen Botschaft »- Unterredung mit Eduard VII. « Lord Crewe 
Der englische Besuch im Reichstag - Das Problem einer Verständigung über das Tempo 
des Flottenbaus mit England « Bericht Walther Rathenaus über seine englischen Ein- 
drücke - Brief Wilhelms II. »- Konferenz über die Flottenfrage unter den beteiligten 
Ressorts 
uf Wunsch des Königs Eduard waren zu dem Luncheon, das am 12. Fe- 
Eduard VII. bruar auf der Englischen Botschaft stattfand, nur meine Frau und ich 
erkundigt sich eingeladen worden. Der König forderte mich auf, der Königin den Arm zu 
geben, und führte selbst meine Frau zu Tisch. Er war in guter Stimmung. 
Er sprach lange mit meiner Frau über seine verstorbene Schwester, die 
Kaiserin Friedrich, der meine Frau so nahegestanden hätte, und meinte 
dann: „Ihr Mann hat es mit meinem Neffen, dem Kaiser, nicht gerade 
leicht.‘“ Der Kaiser sei sehr begabt, aber oft very imprudent. Durch die 
„Daily-Telegraph“-Affäre, oder vielmehr durch alles, was er in Highcliffe 
geredet habe, hätte der Kaiser seinen ersten Minister in eine wirklich sehr 
peinliche, überaus schwierige Lage gebracht. Nach dem Essen zog mich der 
König zur Seite: „Shall You remain ? I wish You to remain for the benefit of 
Your country and for peace in Europe. How do You get on with the Em- 
peror? It does not scem to be very easy for his ministers to get on with 
him.“ Es wäre geschmacklos und unklug gewesen, wenn ich gegenüber 
dem König, der seinen Neffen so genau kannte wie ich, mich auf banale 
Wendungen beschränkt hätte. Ich sagte ihm vielmehr, der Kaiser sei in 
seinen mündlichen Äußerungen allerdings bisweilen unvorsichtig, er neige 
namentlich zu Übertreibungen, sei zu erregbar, sei überhaupt trotz seiner 
fünfzig Jahre noch sehr jugendlich. „Aber eins“, fuhr ich fort, „kann ich 
Eurer Majestät in voller Aufrichtigkeit und mit der größten Bestimmtheit 
versichern: Der Kaiser ist friedlich gesinnt, schon weil er es mit seinen 
Pflichten als Christ und Monarch sehr ernst nimmt. Er ist auch in keiner 
Weise intrigant angelegt. Nichts liegt ihm so sehr am Herzen wie ein gutes 
Verhältnis zu England, zu dem er sich durch seine ganze Erziehung und 
sein Naturell hingezogen fühlt.‘“ Der König meinte, ich hätte recht, die 
Absichten des Kaisers seien fast immer die allerbesten. Er müsse aber vor- 
sichtige und dabei erfahrene und kluge Ratgeber haben und sich nicht ein-
	        
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