Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

XXXI KAPITEL 
Bülows Abschiedsbesuch bei Holstein - Begegnung mit Tittoni in Venedig - Wilhelm II. 
trifft in Vencdig ein - Spricht Monts als künftigen Kanzler an » Weitere Schicksale des 
Grafen Monts » Der Kaiser fährt nach Korfu + Bericht des Freiherrn von Wangenheim 
über die Begegnung Wilhelms II. mit dem italienischen Königspaar in Brindisi - Der 
Kaiser in Wien » Stand der Reichsfinanzreform « Wilhelm II. nimmt in Wiesbaden 
Bülows Vortrag über die Finanzreform entgegen » Sängerfest in Frankfurt, jubelnder 
Empfang Wilhelms II. » Die deutschen Bundesfürsten zum Geburtstag des Kaisers in 
Berlin » Die Intrigen gegen den Kanzler mehren sich - Der Bund der „Kaisertreuen“ 
Rudolf Martin und Fürst Fürstenberg - Begegnung zwischen Wilhelm II. und Nikolaus II. 
Die „Zehn Gebote“ für den Kaiser 
uf Wunsch meines lieben ärztlichen Beraters und Freundes Renvers 
Bei dem hatte ich beschlossen, mich während der Osterferien zu meiner Er- 
erkrankten holung nach Venedig zu begeben, das wie wenige andere Orte der Welt zur 
Holstein S2mmlung und zum Nachdenken auffordert und das erregte Innere be- 
ruhigt. Da ich gehört hatte, daß Holstein erkrankt sei, machte ich ihm 
vor meiner Abreise einen Besuch. Er hatte mich, wohl nur wegen seines 
Gesundheitszustandes, seit langem nicht mehr aufgesucht. Ich selbst war 
während unserer mehr als dreißigjährigen Beziehungen nie in seiner Behau- 
sung gewesen. Dieser Mann, der unter Bismarck, unter Caprivi und unter 
Hohenlohe einer der mächtigsten Leute im Staat gewesen war, der auch 
unter mir nach allen Seiten seine Fühlhörner ausstreckte und durch seine 
weitreichenden persönlichen Beziehungen wie durch seine Geschäftskennt- 
nis und seine große Erfahrung, durch die Schnelligkeit seiner Auffassung, 
seine Entschlußkraft und (last not least) seine Verschlagenheit und Rück- 
sichtslosigkeit eine große Rolle spielte, bewohnte in der entlegenen, nüch- 
ternen, in keiner Weise eleganten Großbeerenstraße im dritten Stock zwei 
einfache Zimmer, die einem bescheidenen Subalternbeamten kaum genügt 
hätten. Im Vorzimmer fand ich die langjährige Freundin von Holstein, 
Frau von Lebbin. Sie hatte sich zwei in Papier eingewickelte Butterstullen 
mitgebracht, die mit einem Stückchen Käse und einem Glase Bier ihr 
Mittagsmahl bilden sollten. Im Nebenzimmer lag Holstein im Bett. An der 
Wand hingen nur drei Bilder: das Bild des Botschafters Paul Hatzfeldt, 
des ihm politisch am nächsten stehenden deutschen Diplomaten, ein Bild
	        
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