Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

I. KAPITEL 
Fahrt von Berlin nach ITamburg am 17. VII. 1909 » Alte Erinnerungen und jüngste 
Eindrücke « In Hamburg » Hotel Atlantie « Der kleine Pfordte » Ballins Plan einer Be- 
sprechung zwischen dem deutschen und dem englischen Seclöwen scheitert an Beth- 
manns Widerspruch - Zu Schiff von Hamburg nach Cuxhaven, von dort nach Norderney 
Der Gesandte Dr. Rosen « Kundgebungen zum Rücktritt: Der Bundesrat, die Bundes- 
fürsten und Freien Städte - Hat Bismarck das von ihm organisierte Reich zu schr auf die 
Fürsten basiert? + Bülows Einstellung zu Parteien und Volksvertretung 
ls ich nach meinem Abschied von der Reichshauptstadt meiner Frau 
im Salonwagen gegenübersaß, der uns von Berlin nach Hamburg 
führte und den Verehrung für sie in einen Hain von Rosen, Nelken und 
Orchideen verwandelt hatte, denn vor dem Weltkrieg wurde kaum irgend- 
wo ein Blumenflor entfaltet wie in Berlin, war mein erstes Gefühl Dank 
gegen Gott, daß es mir vergönnt gewesen war, während eines bewegten, 
bisweilen stürmisch bewegten Jahrzehnts das Land vor Schaden zu 
bewahren, seinen Woblstand zu fördern, seine Machtstellung zu befestigen 
und zu erweitern und uns den Frieden in Ehren zu erhalten, der unser erstes 
und vornehmstes Bedürfnis war und blieb. Ich dankte meiner lieben Frau 
für ihre Treue und Fürsorge, die es mir ermöglicht hatten, in zwölfjähriger 
angestrengter und aufreibender Tätigkeit meine Schuldigkeit zu tun. Oft 
war ich die Strecke von Berlin nach Hamburg gefahren, um dem Kaiser in 
Kiel Vortrag zu halten oder mit ihm auf seiner schnellen Jacht „Meteor“, 
auf der schmucken „Iduna‘“ der Kaiserin dem Segelsport zu huldigen. Jetzt 
zog ich als entamteter Kanzler denselben mir wohlbekannten Weg, und 
Erinnerungen meiner Jugend stiegen während der Fahrt in mir auf. Ich 
gedachte meines guten Vaters, der auch auf Reisen jede Gelegenheit benutzt 
hatte, mir Land und Leute zu deuten und meinen historischen Horizont zu 
erweitern. 
Wir kamen an Spandau vorüber, der alten Stadt, wo die ersten Kur- 
fürsten aus dem Hause Hohenzollern regiert hatten, wo Joachim II. am 
1. November 1539 das Abendmahl sub utraque empfing und damit der 
neuen Lehre in der Mark Brandenburg den Weg ebnete, wo der Julius- 
Turm stand, der Goldturm, in dem der preußische Kriegsschatz verschlossen 
war, der die Phantasie des Volkes lange beschäftigt hatte. Jetzt war ich über 
je 
Reise nach 
Hamburg
	        
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