Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Il. KAPITEL 
Nach dem Rücktritt: Schmoller, Oncken, Riezler, Philipp Eulenburg 
ährend meiner ganzen Amtszeit hatte mir Professor Gustav 
Ein Konflikt Schmoller mit immer gleichem Wohlwollen, in treuer Freundschaft 
mit England zur Seite gestanden. Auf den Brief, in dem er seinem Schmerz über mein 
verhängnisvoll Scheiden lebhaften Ausdruck gab, antwortete ich aus Norderney am 
7. August 1909: „Sie berühren die drei Fragen, die mich während meiner 
Amtszeit in erster Linie in Anspruch genommen haben. In der auswärtigen 
Politik ist es in der Tat die Aufgabe unserer Generation, Deutschland zur 
See Sicherheit und Selbständigkeit zu gewährleisten, ohne daß vor 
Erreichung dieses Ziels durch gegenseitige Mißverständnisse 
mit England ein Konflikt herbeigeführt wird, der für beide 
Länder und für die Kultur der Welt verhängnisvoll sein müßte. 
Im Innern habe ich es als eine Hauptaufgabe betrachtet, den Vierten Stand 
in den Organismus des monarchischen und nationalen Staats allmählich 
einzufügen, wie das vor hundert Jahren mit dem Dritten Stande zum Heile 
unseres Volkes geschehen ist. Wenn naturgemäß auf diesem schwierigen 
Gebiete erst Anfänge vorhanden sind, so meine ich doch, daß es zukunfts- 
reiche Anfänge sind und daß damit der Weg gewiesen wird, den wir weiter- 
verfolgen müssen. Und endlich sche ich in der nationalen und koloni- 
satorischen Deicharbeit gegenüber der polnischen Sturmflut die zweite 
große Aufgabe unserer inneren Politik. Es ist das eine Aufgabe, die wir von 
unseren Vorfahren überkommen haben, denn es handelt sich um die 
Fortsetzung der Arbeit nicht nur des großen Königs, sondern der großen 
deutschen Kolonisatoren des dreizehnten Jahrhunderts.“ In der Antwort, 
die ich von Schmoller erlielt, hieß es: „Daß es bei uns in der Politik immer 
trüber aussieht, seit Sie weg sind, empfinden nicht bloß Ihre Verehrer und 
Freunde. Herr von Bethmann hat gewiß seltene und große Eigenschaften, 
er verfügt über manche Gaben, die zum Staatsmann gehören. Ich will seine 
jetzige zurückhaltende Art auch nicht tadeln, aber im ganzen habe ich doch 
den Eindruck, daß er ein besserer Professor als Reichskanzler geworden 
wäre. Er kommt über die rationes dubitandi nicht leicht hinaus. Die 
frische, kühne Entschlußfähigkeit, die zugleich ansteckt und die Menschen
	        
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