Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

POLITIK UND LIEBE 601 
ergriff bald ganz Deutsch-Österreich. In Deutschland trat namentlich 
die demokratische und die klerikale Presse leidenschaftlich für den 
Battenberger ein. Mit derselben Gleichgültigkeit für die öffentliche Meinung 
und ebenso unbekümmert um sentimentale Regungen und selbst um völker- 
rechtliche und ethische Gesichtspunkte, wie er ein Vierteljahrhundert 
früher jedes Eintreten für die Polen gegen Rußland abgelehnt hatte, stellte 
sich Fürst Bismarck jetzt in der Bulgarischen Frage mit voller Entschieden- Bismarck 
heit auf die russische Seite. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung‘ für Rußland 
erklärte offiziös, daß deutsche Interessen durch die bulgarischen Vorgänge 
gar nicht berührt würden. Als die oppositionelle deutsche Presse fortfuhr, 
den Fürsten Alexander zu verherrlichen und ein wenigstens diplomatisches 
Eintreten für ihn als eine sittliche Pflicht zu fordern, erklärte in einem von 
Bismarck selbst inspirierten Artikel das offiziöse Blatt unter heftigen 
persönlichen Angriffen gegen Eugen Richter und Windthorst, daß die 
genannten Parlamentarier und ihre Anhänger nicht die erforderliche Schärfe 
des Blicks besäßen, um auch nur die nächste Zukunft prognostizieren zu 
können. Kein einigermaßen durch theoretisches Studium der Geschichte 
oder durch praktische Beschäftigung mit Politik gebildeter deutscher 
Staatsbürger könne im Zweifel darüber sein, welche eminenten Gefahren 
auf dem Wege lägen, den Demokraten und Klerikale unserer Politik vor- 
zeichnen wollten. Es hieß in dieser Bismarckschen Auslassung wörtlich: 
„Zentrum und Demokratie predigen den Krieg, und zwar einen Krieg, 
schrecklicher und blutiger, als alle bisherigen Kriege gewesen sind.“ 
Die schroffe Haltung des Fürsten Bismarck gegenüber der „Batten- 
bergerei‘, wie er diese mehr aus Gefühlsmomenten als aus politischer Ein- 
sicht hervorgegangene Bewegung verächtlich nannte, wurde verstärkt 
durch den Argwohn, daß es sich im letzten Ende um eine englische 
Intrige handele, zu dem Zweck, uns mit Rußland zu entzweien. Wie Fürst 
Bismarck per omnia discrimina rerum in einem guten Verhältnis zu Rußland 
immer die sicherste Rückendeckung für Deutschland erblickt hat, so war er 
auch stets davon überzeugt, daß die englische Politik Deutschland und 
Rußland untereinander verhetzen und jedenfalls auseinanderhalten wolle. 
Bismarck fand das vom englischen Standpunkt aus ganz begreiflich. Er 
wünschte aber nicht, daß wir in diese Falle gingen. Die Bulgarische Frage 
wurde durch eine Liebelei kompliziert, hinter der Bismarck nicht mit 
Unrecht eine englische Intrige witterte. Die dritte Tochter des deutschen 
Kronprinzen, die damals zwanzigjährige Prinzessin Viktoria, hatte sich 
in den Helden von Slivnica verliebt. Die erste Begegnung zwischen den 
beiden war von dem Onkel der Prinzessin, dem Prinzen von Wales, herbei- 
geführt worden. Unter seinen väterlichen Augen hatten Alexander und 
Viktoria Verlobungsringe ausgetauscht. Es war dem Prinzen von Wales
	        
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