Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

126 Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
der Beweis, daß die deutsche Nation die erste in der Christenheit sei. 
Die Beschützung des hl. Stuhles, die Vertheidigung der Kirche gegen 
innere und auswärtige Feinde war allerdings eine ebenso schöne als 
hohe Pflicht, aber weil mit ihr zugleich die Oberherrlichkeit über Italien 
verbunden war, so führte dies zu unaufhörlichen Kämpfen mit den ita- 
lienischen Städten und Fürsten und mit dem Papste selbst, wenn der 
Kaiser seine sehr beschränkte Gewalt ausdehnen wollte. 
Papstthum und Kaiserthum. 
Die Idee einer res poblica christiana, eines allgemeinen christ- 
lichen Staatenbundes unter der Oberleitung des Papstes, gehörte ur- 
sprünglich der Hierarchie an und wurzelte in den christlichen Völkern 
um so tiefer ein, als die weltlichen Gewalthaber nur zu gerne die 
Schranken des göttlichen und menschlichen Rechtes durchbrachen und da- 
durch an die Nothwendigkeit eines höhern Richters mahnten. Das geist- 
liche Oberhaupt der Christenheit erschien durch seine Unabhängigkeit 
von dpnastischen sowie nationalen Interessen und Leidenschaften, durch 
die heiligen Pflichten, die ihm seine hohe Würde auferlegten, eigentlich 
zum Vermittler und Versöhner zwischen feindlichen Fürsten oder Völ- 
kern, zum gemeinschaftlichen Friedensrichter und Hüter des Völker- 
rechtes berufen, und kein Mensch bestritt damals auch nur von ferne 
die Berechtigung des Nachfolgers des Apostels Petrus, für die unter- 
drückte Unschuld einzuschreiten und zu dem gekrönten Frevler zu sprechen 
wie Nathan zu David, wie Johannes der Täufer zu Herodes. Die 
natürliche Folge dieser Stellung war, daß ein ächter Papst, der nicht 
gewaltsam (z. B. durch Faktionen in Rom und Italien) in seiner 
Thätigkeit gehemmt wurde, um so enerzischer eingriff, je mehr durch 
Despotismus oder Anarchie die gesetzliche Ordnung der christlichen 
Staaten gebrochen war, und darum wurde der Papfst gerade in solchen 
Zeiten zu dem Mittelpunkte, der durch seine Macht es verhinderte, daß 
die christliche Weltordnung nicht in Trümmer auseinander siel. Ein 
solches Einschreiten des Papstes war ein Verdienst um die Christenheit, 
was die Völker dankbar anerkannten, und darum wuchs die Macht oder 
das Ansehen des Papstes gegenüber der kaiserlichen bei jedem derartigen 
Ereignisse. 
Gerade als die Karolinger das Werk ihres großen Ahnen zer- 
störten, vollendete oder befestigte vielmehr Papst Nikolaus I. die hier- 
archische Ordnung im Abendlande und erwirkte für das oberste Richter- 
amt des Papstes die allgemeine Anerkennung. Auf der einen Seite 
leitete er die Befehrung der Bulgaren mit apostolischer Weisheit, auf 
der andern setzte er gegen den anfänglichen Widerspruch des Erzbischofs 
Hinkmar von Rheims die Anerkennung des päftlichen oberhirtlichen
	        
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