Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Ludwig XVIII. 453 
von der Treulosigkeit der Verbündeten Frankreichs, von der Ungunst 
des Zufalls, von der ungeheuren Ueberlegenheit der feindlichen Heere 
zu erzählen, die aber dennoch alle durch das französische Genie unter- 
gegangen wären, wenn nicht der Verrath von Franzosen sie gerettet 
bätte. Diese sogenannten Verräther waren aber gerade die Anhänger 
des königlichen Hauses und so traf die von den entlassenen Soldaten 
unter dem gemeinen Volke und von den Schriftstellern unter den soge- 
nannten gebildeten Ständen verbreitete Anklage mittelbar immer wieder 
den neu errichteten Köntgsthron. Großes Aergerniß nahmen die Sol- 
daten auch daran, daß Ludwig XVIII. wieder Schweizerregimenter in 
französischen Dienst nahm und der Pariser Pöbel sah in deren Unifor- 
men eine beständige Erinnerung an die von ihm verübten Mördereien 
während der Schreckenszeit, zugleich aber auch eine Drohung gegen das 
Gelüsten nach Wiederholung ähnlicher Scenen. Auch die Bourgeeisie 
würde der Auseinandersetzung nicht geglaubt haben, der König habe durch 
die Aufnahme von 12,000 Schweizern in französische Dienste seine poli- 
tische Weisheit bewiesen, indem er die vornehmen schweizerischen Familien 
durch Offizierstellen, die gemeinen Schweizer aber durch den rothen 
Rock den Interessen Frankreichs dienstbar mache und die Schweiz dem 
beherrschenden Einflusse der andern Großmächte entztehe. Großen An- 
stoß nahmen die Bourgeoisie und auch viele Mitglieder der höchsten Stände 
daran, daß der König den entschiedenen Willen zeigte, der Kirche ihre 
Rechte zu gewähren und ihr nicht wieder in den Weg zu treten, wenn 
sie Unterrichtsanstalten gründen und dadurch die Jugendbildung mit dem 
christlichen Geiste durchdringen würde. Dies glich einer Verurtheilung 
der Philosophie des 18. Jahrhunderts, nach der gangbaren Ansicht des 
Triumphes der Vernunft über Aberglauben und Gewissenszwang, glich der 
Verurtheilung eines Triumphes, der Frankreich an die Spitze des ge- 
sammten geistigen Lebens auf dem Erdball gestellt habe. Diese große 
Partei war damit nicht befriedigt, daß sie für ihr Thun und Streben 
volle Freiheit hatte und somit ihren viel gefeierten Sieg der Vernunft 
durch Unterrichtsanstalten aller Art, Schriften, wissenschaftliche Vereine 2c. 
nur weiter auszubeuten brauchte, sie verlangte, daß der Kirche nur eine 
beschränkte, gleichsam geduldete Stellung angewiesen würde und hinderte 
deßwegen durch ihre offene Feindseligkeit die volle Ausführung des 1817 
abgeschlossenen Konkordats, vermochte es jedoch nicht der Errichtung 
von zahlreichen Klöstern und Unterrichtsanstalten, welche von Geistlichen 
geleitet wurden, Einhalt zu thun, weil kein Gesetz dagegen vorhanden 
war. Ludwig XVIII. bewegte sich in seiner von zahllosen Schwierig- 
keiten umgebenen Stellung mit sicherer Klugheit, indem er einerseits dem 
übertriebenen Eifer eines Theils der royalistischen Partei den Zügel 
anlegte, andererseits sich den kirchenfeindlichen Plänen nicht willfährig
	        
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