Einleitung und Ausbruch der italienischen Revolution. 601
daß der Republikanismus durch eine liberale Rekonstituierung Italiens
bald verrauchen werde. Die liberale Partei hatte es besonders auf den
König Karl Albert von Sardinien abgesehen, denn derselbe besaß
nicht nur den Ruf eines Feldherrn, wie denn überhaupt ein kriegerischer
Geist in dem savoyischen Fürstenhause erblich ist, sondern es stand ihm
auch ein zahlreiches, trefflich ausgerüstetes und wohlgeübtes Heer zu
Gebote; ohne Heer aber, das sahen die Parteien wohl ein, war gegen
Oesterreich, diesen Stein des Anstoßes, nichts zu unternehmen. Karl
Albert hatte 1821 den Karbonari die Hand gereicht, später sie zwar
mit blutiger Strenge verfolgt, aber er war ehrgeizig, und wenn ihm
die ganze Lombardei sammt den Pofürstenthümern als Preis vorgehalten
wurde, wenn zugleich das europäische Staatengebäude einer großen
Veränderung entgegen zu gehen schien, so mußte es doch möglich wer-
den, ihn von Oesterreich noch einmal abzuziehen und demselben entgegen
zu stellen. Wie dies allmählig gelang und wieviel England dazu bei-
tvrug, können wir nicht bestimmen, so viel ist aber gewiß, daß er schon
vor 1847 gegen Oesterreich seine feindlichen Gesinnungen vergebens
durch schöne Worte zu verschleiern suchte. Einen ungeahnten Aufschwung
erhielt die italienische Bewegung durch Papst Pius IX. (früher Kardi-
nal Mastai Ferretti), der am 16. Junt 1846 gewählt und am 21. ge-
krönt wurde. Er und seine Rathgeber glaubten, daß durch liberale
Maßregeln die blutige Revolution, die 1845 in Rimint und 1846 im
Februar zu Pesaro und Fano sich geregt hatte, beschworen werden könne,
in welcher Meinung sie von auswärtigen hohen Rathgebern bestärkt
wurden. Er erließ am 29. Juni ein Amnestiedekret für politische Ver-
brecher, das am 17. Jull eine fast unbeschränkte Ausdehnung erhielt,
so daß der Kirchenstaat der Sammelplatz von mehr als 4000 politi-
schen Flüchtlingen wurde, und setzte eine Kommission für innere Refor-
men nieder. Die Folgen, welche diese Schritte auf das benachbarte
Neapel und Toskana haben mußten, ließen nicht lange auf sich warten;
beide Regierungen sahen sich moralisch genöthigt, mit der päpftlichen
gleichen Schritt einzuhalten. Das folgende Jahr förderte die Ent-
wicklung rascher, als die regierenden Häupter wohl erwartet hatten;
die Theurung der Lebensmittel gab den Städten in der Romagna den
Vorwand, sich zum Schutze ihres Eigenthums zu bewaffnen, weil das-
selbe von den hungernden Haufen angegriffen würde, und am 5. Juli
sah sich die päpstliche Regierung bereits genöthigt, die Selbstbewaffnung
des Volkes als Guardia Civica (Bürgerwehr) zu gestatten, um sie wo
möglich zu regulieren. Im August erreichten Volksbewegungen in Florenz
und Livorno für Toskana das gleiche Ziel und zudem ein liberales
Preßgesetz, die Vorgänge in Ferrara aber gaben Veranlassung, die ganze
Halbinsel mit Rachegeschrei gegen Oesterreich (morte ai Tedeschi!) zu