Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

246 Anhang. Anlage Nr. 12. 
Reichstages über die parallel gehende Frage von der Form der „Auf- 
nahmeurkunden“, für welche schließlich auch die Ausfertigung einer 
förmlichen Urkunde als notwendig anerkannt wurde, damit bei Akten 
dieser Art formell und endgültig der Erwerb der staatsbürgerlichen Rechte 
konstatiert werde. 
Es knüpfen sich an die Erteilung der Staatsangehörigkeit so weit- 
tragende Folgen für den rechtlichen status des Beteiligten, so zahlreiche 
Begründungen von Rechtsverhältnissen im öffentlichen, Familien= und 
Vermögensrecht, daß für den Erwerb wie für den Verlust die legis- 
latorische Forderung überall hervortrat, durch einen Formalakt den Ein- 
tritt des neuen status zu konstatieren und demgemäß durch das Gesetz 
eine schriftliche Form, die zum Erlaß kompetente Behörde und den Zeit- 
punkt des Eintritts definitiv zu bestimmen. Wenn in dem Reichsgesetz 
diese Funktion der „oberen Verwaltungsbehörde“ übertragen ist, so läßt 
sich nicht verkennen, daß bei der Ausübung derselben auch durch höhere 
Behörden sich Irrtümer, Mißgriffe und Mißbräuche einschleichen können. 
Zur Verhütung letzterer liegt es unzweifelhaft in den Befugnissen der 
Aufsichtsbehörden, den untergeordneten Amtsstellen besondere Vorsichts- 
maßregeln — die persönliche Vernehmung des Antragstellers, die be- 
sondere Prüfung der Atteste usw. — zur Pflicht zu machen, auch wohl 
nach Umständen die Aufnahme ganzer Kategorien lästiger Ausländer in 
den Staatsverband zu untersagen, wie dies beispielsweise in Preußen 
wiederholt, u. a. in der Zirkularverfügung des preußischen Ministers des 
Innern vom 4. Mai 1853 (MBl. S. 118), geschehen ist. Einer anderen 
Beurteilung dagegen unterliegt die Frage, ob wegen eines etwaigen 
Irrtums oder Mißgriffs in der Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse 
die Aufsichtsinstanz nachträglich zum Einschreiten befugt und zur Auf- 
hebung einer einmal erteilten und gesetzmäßig zugestellten Naturali- 
sationsakte noch für befugt zu erachten ist. Ist dies schon nach der vor- 
stehend wiedergegebenen Wortfassung des Reichsgesetzes sehr zweifelhaft, 
so erscheint es unzweifelhaft unzulässig nach dem Zweck und der demselben 
entsprechenden ganzen Konstruktion des Gesetzes. Denn die Beurteilung 
der konkreten tatsächlichen Voraussetzungen einer Naturalisation unter- 
liegt nach Zeit, Ort, Person und Umständen so variablen Gesichtspunkten, 
daß der rechtliche status aller naturalisierten Untertanen in einen völlig 
unsicheren und prekären Zustand geraten würde, wenn auf ungemessene 
Zeit hinaus durch eine nachträgliche Korrektur der Ausfsichtsbehörde die 
Staatsangehörigkeit lästig gewordener Personen wieder aufgehoben 
werden könnte. Die Folge wäre, daß dadurch eine Verwirrung in alle 
inzwischen begründeten Rechtsverhältnisse des Beteiligten wie dritter 
Personen gebracht werden würde. Eben diese unvermeidlichen Konse- 
quenzen sind es, welche die Reichsgesetzgebung bestimmt haben, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.