334 Anhang. Anlage Nr. 835.
Anlage Nr. 35.
Kgl. preuß. Justizministerial-Verfügung vom 21. Oktober
1905. 1 7772.
Auf Grund des § 15 des Ges. üb. d. Erw. u. d. Verl. d. Reichs-
u. Staatsang. vom 1. Juni 1870 (BEl. S. 355) pflegen die Verwal-
tungsbehörden einen noch nicht siebzehnjährigen Staatsangehörigen,
dessen gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschafts-
gerichts die Entlassung beantragt (Art. 41 II EG. z. BG.) ohne weitere
Nachprüfung aus der Staatsangehörigkeit zu entlassen (vgl. Cahn, Gesetz
vom 1. Juni 1870, Note 9 zu § 15).
Die Vormundschaftsgerichte scheinen aber bei der ihnen hierbei
obliegenden Prüfung, ob die Aufgabe der Staats- und damit der Reichs-
angehörigkeit im Interesse des Minderjährigen liegt, nicht überall mit
der erforderlichen Vorsicht und Gründlichkeit verfahren zu sein, ins-
besondere nicht in Fällen, in denen der gesetzliche Vertreter zur Be-
gründung des Entlassungsantrags sich darauf berufen hatte, daß sein
Sohn oder Mündel zwecks Ausbildung als Missionar oder Klosterbruder
seine Aufnahme in ein im Auslande gelegenes Kloster nachsuchen wollte,
das Kloster jedoch die Aufnahme und Ausbildung von der vorherigen
Aufgabe der preußischen Staatsangehörigkeit abhängig machte. In
Fällen dieser Art ist eine besonders sorgfältige Prüfung des Gesuchs
vom Standpunkte der vormundschaftlichen Fürsorge aus geboten.
Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die für eine etwaige
spätere Wirksamkeit in Preußen aus der Aufgabe der Staatsangehörig-
keit sich ergebenden Schwierigkeiten, da nur solche Angehörige eines
Klosters in Preußen geduldet werden, welche die Reichsangehörigkeit
besitzen. Es ist ferner die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der Minder-
jährige aus irgendeinem Grunde, sei es wegen Untauglichkeit, sei es
infolge von Willensänderung oder von Krankheit aus dem Kloster aus-
tritt und daß in diesem Falle die mit einem Kostenaufwand von 50 .#
verbundene Renaturalisation mit Sicherheit nicht erwartet werden
kann, vielmehr ein hierauf gerichtetes Gesuch der Regel nach abgelehnt
wird, wenn der Gesuchsteller zum aktiven Militärdienste nicht mehr
herangezogen werden kann. Über diese möglichen Folgen ihres Gesuchs
werden die Beteiligten sich häufig nicht klar sein; auch scheinen die Fälle
nicht ganz selten zu sein, in denen die oben mitgeteilte oder eine ähnliche
Begründung des Gesuchs der Wahrheit nicht entspricht, sondern lediglich
zu dem Zwecke vorgespiegelt wird, um den Minderjährigen der Ableistung
der Militärpflicht im Inlande zu entziehen.