VIII. Von den Landständen. 75
Eine weitere Konsequenz des vorgenannten Prinzipes
ist die Bestimmung des Art. 63, wonach nur der Groß-
herzog das Recht hat, die Ständeversammlung zu be-
rufen, zu vertagen, aufzulösen und zu schließen; jede
willkürliche Vereinigung der Stände ist ausdrücklich
verboten und unter Strafe gestellt. Daß die Volks-
vertretung gleichwohl regelmäßig zum Wort kommt, da-
für garantiert, abgesehen von anderweitigen Gründen,
einmal die verfassungsmäßige Verpflichtung des Landes-
herrn, die Stände wenigstens einmal in jedem Jahre
zu versammeln (Art. 64), andererseits das Schwergewicht
des ständischen Budgetrechts.
Die beiden Kammern erscheinen prinzipiell als ein
einheitliches Staatsorgan,! d. h. es gilt der Grundsatz,
daß zu einem Beschlusse der Landstände die Zustimmung
beider Kammern erfordert wird; einzelne Modifikationen
dieses Prinzipes ergeben sich aus HV. Art. 67, 75 u. 82.
Die Beratungen der beiden Kammern finden regelmäßig
getrennt statt; nur für höchst seltene Ausnahmefälle (vgl.
HV. Art. 67 Abs. 3 u. Art. 75 Abs. 2 und Regentschafts-
gesetz vom 27. März 1902 Art. 1 Abs. 3) ist eine Ver-
sammlung der vereinigten beiden Kammern und eine
Durchzählung der Stimmen vorgesehen. Im übrigen
haben die Kammern keine Beratungen miteinander zu
pflegen, sondern nur ihre gefaßten Beschlüsse sich gegen-
seitig mitzuteilen. (HV. Art. 95.)
Die Befugnisse der I. Kammer einerseits und der
II. Kammer andererseits sind, von einer sehr wesent-
lichen Abweichung zu ungunsten der I. Kammer abge-
1 Uber die Eigenschaft der modernen Volksvertretung als eines
staatlichen Organes vgl. Jellinek a. a. O. S. 236 f., Georg
Meyer a. a. O. S. 297, und speziell die zutreffenden Ausführun-
gen G. Anschütz's a. a. O. S. 297 Anm. 5.