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der Landarmen-Direklion zu Posen, theils durch Briefwechsel mit anderen Vehörden neben den be-
reits erstatteten 4 Sgr. erwachsen sind, aus dem Grunde abgewiesen worden, well Auslagen, welche
eine Partei zur Verfolgung und Sicherung ihres Rechts vor Einleitung des eigentlichen Prozesses
gemacht habe, weder nach allgemeinen Rechtsgrundsähzen, noch nach den positiven Bestimmungen
des Ausführungsgesetzes vom 8. März 1871 erstattbar seien. Diese Ansicht beruht auf einer irrigen
Gesetzesauslegung, welche das Bundes-Amt in mehrfachen Entscheidungen reprobirt hat. Zu den
baaren Anslagen des Verfahrens im Sinne des §. 56 leg. cit. gehören nicht blos die in dem
Prozeßverfahren selbst, sondern auch die in dem vorausgehenden Verfahren durch die gesetzlich vor-
geschriebene Anmeldung des Ersatzanspruches (. 34 des Neichsgesetzes vom 6. Juni 1870), wie
überhaupt durch die nach Maßgabe des §. 31 cit. unvermeldliche Korrespondenz) entslandenen Porto-
auslagen. Wenn der ersle Richter diese Auslagen von der Erstaitung ausschließt, well sie behufs
Verfolgung und Sicherung des klägerischen Rechts aufgewendet worden sind, so übersieht er, daß
in dem gleichen Interesse auch die Auslagen im Prozesse aufgewendet werden.
Der Uebergang der Fürsorgepflicht für die Ehefrau auf den zur Unterstützung des EChemannes verpflichteten
Armenverband wird dadurch nicht gehindert. daß für die Frau öffentliche Fürsorge vor der Ehe hat eintreten
müssen und über den Zeitpunkt der Eheschließung hinaus fortdauert.
So erkannt am 13. September 1873 in Sachen Dorstfeld gegen Seppenrade. Zur Molioirung ist
Folgendes angeführt:
Unter der Herrschaft des früheren preußischen Armenrechts hat allerdings die Rechtsprechung
des Ober-Tribunals den Grundsatz ausgestellt, daß eine aktuell gewordene Fürsorgepflicht, so lange
das Unterstützungsbedürfniß fortdauert, jede Veränderung in dem Domizilverhältnisse ausschließt.
Dieser Grundsatz hatte seine volle Berechtigung, insofern eine Veränderung durch Zeitablauf während
der Dauer der Unterstützung nach den einschlagenden Bestimmungen des Gesetzes vom 31. Dezember
1842, §s§. 1, 3, 9, 12 für unmöglich erklärt wurde. Auf den Fall der Verehelichung einer hülfs-
bedürftigen Frauensperson anpewendet, steht derselbe aber im Widerspruch mit der absoluten Vor-
schrift im §. 17 leg. cit., welche keine Unterscheidung zwischen hülfsbedürstig und nicht hülfsbedürstig
sich verehelichenden Frauen macht, und zerstört den Familien-Zusammenhang, welchen die §§. 17
bis 22 des allegirten Gesetzes, ebenso wie die §§. 15 bis 21 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870
gewahrt wissen wollen. Aus denselben Gründen hindert auch nach Lage der jetzigen Gesetzgebung
die Unterslützung, welche eine Frau vor der Verbeir-##hung empfangen hat und weiter empfängt,
keineswegs den Uebergang der Fürsorgepflicht auf den Armenverband des ehemännlichen Unter-
stützungswohnsitzes.
Von Zeitpunkte der Eheschließung an theilt die Ehefrau, welcher ihre schon vorhandenen, unselbstsländigen
Kinder solgen, nicht blos den Unterstützungswohnsitz, sondern auch dle Domizlllosigkelt (Landarmen Eigenschaft)
des Ehemannes. So erkannt in Sachen Harriehausen wider den Landarmenverband der Provinz Hannover
am 9. Juni 1873
Grün de.
Der erste Richter hat den Kläger abgewiesen, weil er der Meinung ist, daß der Unterstützungs-
wohnsitz der Witlwe X. und ihrer Kinder in Harriehaufen durch die am 7. Oktober 1871 erfolgte Ver-
heirathung der Wittwe X. mit dem unbestrikten landarmen N. nicht erloschen sei und daß der Land-