Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Zweiter Jahrgang. 1874. (2)

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ausdrücklich hervorgehoben wird, nur eine Instruktion für die zur Gewährung vorläufiger Unter- 
stützung genöthigten Armenverbände „wie sie ihre Erstattungsansprüche vorzubereiten und den er- 
stattungspflichtigen Armenverband hiervon in Kenntniß zu setzen haben.“ „Obwohl zugegeben wurde“, 
— heißt es in dem Berichte — „daß eine solche Instruktion kein absolut unentbehrlicher Theil des 
Gesetzes sel, so entschied sich die Kommission doch im Hinblick auf deren Nützlichkeit für vlele geschäfts- 
unkundige Armenverbände für die Aufnahme in's Gesetz.“ An dieser Bedeutung als einer für ge- 
wisse Fälle gegebenen Instruktion hat es auch nichts ändern können, daß in Folge eines Beschlusses 
des Plenums des Reichstags die Verpflichtung des unterstützenden Armenverbandes zur Anmeldung 
seines Anspruchs binnen bestimmter Frist bei Strafe des Verlustes desselben in den Paragraph auf- 
genommen worden ist. Immerhin handelte es sich nur um nähere Vorschriften für die Vor- 
bereitungen, welche den — die Regeln bildenden — Klagen der vorläufig unterstützenden Armen- 
verbände voranzutehen haben und die Folgen ihrer Nichtbeachtung. Hieraus erklärt es sich auch, 
weshalb §. 34 an die Spitze des Abschnittes gestellt ist, und erscheint es daher unzulässig, aus dieser 
Stellung den über die beabsichtigte Tragwelte des Paragraphen hinausgehenden Schluß abzuleiten, 
daß dadurch die folgenden, das eigentliche Streitverfahren betreffenden Paragraphen 36 und 37 eine 
ihrem Inhalt widersprechende Beschränkung erhalten hätten, daß der §. 34 die in den folgenden 
Paragraphen enthaltenen Vorschriften dergestalt beherrsche, daß auch die §§. 36 und 37 nur auf 
die Ansprüche des vorläufig unterstützenden Armenverbandes gegen den definitiv Verpflichteten zu 
zu bezlehen seien. 
Zur Begründung einer solchen Beschränkung ist zwar auch noch auf den §. 38 des Reichs- 
gesetzes Bezug genommen worden. Allein auch aus der Fassung dieses Paragraphen, welche darauf 
zurückzuführen und dadurch zu erklären ist, daß man bei seiner Redaktion den Fall als den die 
Regel bildenden zunächst vor Augen hatte, wo ein vorläufig unterstützender Ortsarmenverband gegen 
den angeblich definitiv verpflichteten klagen muß, kann ein nöthigender Grund zur Annahme der 
fraglichen Kompetenz--Beschränkung so wenig, wie aus dem §. 34 entnommen werden. Der §. 38 
spricht nämlich nach seinem Wortlaute weder ausschließlich von einem seitens eines Ortsarmen- 
verbandes erhobenen Anspruch, noch von dem Falle allein, wo ein Armenverband nach gesetz- 
licher Bestimmung vorläufig unterstützt hat, sondern von dem Antrage desjenigen Armenverdandes, 
welcher die öffentliche Unterstützung vorläufig zu gewähren genöthigt ist. Seinem 
Wortlaute nach umfaßt er also auch den Fall der thatsächlich eingetretenen Nothwendig- 
keit zur Gewährung der öffentlichen Armenpflege, und dieser Fall kann in einem weiteren Sinne 
überall da als vorhanden betrachtet werden, wo ein Armenverband, er mag nun die Unterstützung 
auf Grund des §. 28 des Reichsgesetzes übernommen oder in einer diesem Paragraph nicht ent- 
sprechenden Weise in die Lage gekommen sein, für die vorläufige Unterstützung eines Hülfsbedürf- 
tigen sorgen oder auch dessen definitive Unterstützung übernehmen zu müssen, der Meinung ist, daß 
er gesetzlich überhaupt nicht verpflichtet sei, die Verpflichtung zur Gewährung der Unterstützung viel- 
mehr einem andern Armenverbande nach den Bestimmungen des Gesetzes obliege und auf diesen 
übertragen werden müsse. Jedenfalls sagt der §. 38 aber nicht, daß nur in den Fällen, wo ein 
vorläufig unterstützender Armenverband gegen den definitiv verpflichteten klagen will, das im §. 38 
und folgende vorgeschriebene Verfahren stattfinden solle, auf welches vielmehr auch der §. 37 allge- 
mein für die interterritorialen Streitfragen „über die öffentliche Unterstützung Hulfsbedürftiger" 
hinweist. 
Daß aber das im Reichsgesetze geregelte Verfahren nach dem Willen desselben bei allen 
Streitigkeiten stattfinden müsse, welche zwischen Armenverbänden über die Verpflichtung zur öffent- 
lichen Armenpflege entstehen, ergiebt sich klar daraus, daß eine entgegengesetzte Auslegung des 
Gesetzes in unabweislicher Konsequenz dahin führen würde, daß dem nicht als vorläufig ver- 
pflegender im Sinne des §. 28 zu qualifizirenden Armenverbande überhaupt kein Weg zur Geltend- 
machung seiner Ansprüche gegen den verpflichteten Armenverband eines anderen Staates gegeben 
sen würde. Denn so wie durch den §. 36 das Recht zur selbständigen und unmittelbaren Ver- 
folgung seiner Ansprüche nur auf dem durch das Reichsgesetz bezeichneten Wege und vor 
den zur Entscheidung sowie zur Vollstreckung derselben berufenen Behörden gewährt 
ist, so würde ihm ein Klagerecht gegen einen dem anderen Staate angehörigen Armen- 
verband auch nur in denselben Grenzen zugesprochen werden können, auf welche 
nach der hier bekämpften Auslegung die Kompetenz des Bundes-Amts als letzte 
 
	        
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