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Die Ansicht des ersten Richters, daß der Kläger seln dieser Verpflichtung des Verklagten ent-
sprechendes Recht durch die seit 17. Juli 1873 eingetretene Verzögerung der Ueberführung verwirkt
habe, ist unrichtig. Der §. 32 des Relchsgesetzes vom 6. Juni 1870 setzt voraus, daß die Unter-
stützung des Hülfsbedürftigen, um dessen Uebernahme es sich handelt, aus andern Gründen als
wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist, (§. 31 leg. cit.).
Nun ist im vorliegenden Falle weder behauptet, noch durch die bisherige Bewelsaufnahme dargethan,
daß die etc. N. N. dauernd arbeits- resp. erwerbsunfähig sei. An sich ist eine Frau der
Arbeiterklasse wohl im Stande, den Unterhalt für sich und zwei Kinder zu erwerben,
und daß die N. N. diese Fähigkeit nicht habe, ist aus ihrer, von den Zeugen bekundeten Schwäch-
lichkeit allein nicht herzuleiten, zumal sie ihre Eltern am Orte hat. Denn wenn letztere sie auch
nicht direkt durch Geld etc. unterstützen sollten, so erleichtert ihr doch die Anwesenheit naher Angehöriger
am Orte die Unterbringung ihrer Kinder während der Arbeitzelt. Bei der jetzigen Sachlage konnte
daher der Verklagte die Ueberführung der etc. N. N. mit den im §. 32 vorgesehenen Folgen nicht
verlangen. Ein Antrag im Sinne dieses Paragraphen ist aber auch vom Verklagten noch gar
nicht für gestellt zu erachten, da prinzipaliter immer die Abweisung der Klage verlangt wird.
Nach dem Vorstehenden ist Verklagter verpflichtet, dem Kläger die auf die Unterstützung der
etc. N. N. in den gesetzlichen Grenzen verwendeten und noch zu verwendenden Beträge zu ersetzen,
so lange die gegenwärtige Sachlage, namentlich die Hülfsbedürftigkeit der etc. N. N., dauert.
Da im Tenor der angefochtenen Entscheidung die Forderung des Klägers für die Zelt nach
dem 17. Juli 1873 nicht ausdrücklich abgewiesen ist, so könnte in Frage kommen, ob das erste Er-
kenntniß nicht auch auf die Berufung des Klägers lediglich zu bestätigen sei. Zur Vermeldung
späterer Unzuträglichkeiten erschien es aber geboten, so, wie geschehen, zu erkennen.
7. Personal-Veränderungen etc.
Des Kaisers und Königs Majestät haben mittelst Allerhöchster Order vom 10. d. Mts. den Marine-
Intendanten, Geheimen Admiralitäts-Rath Wandel, zum vortragenden Rathe in der Admiralität zu ernennen
und die Einreihung desselben in die Zahl der vortragenden Räthe nach Maßgabe seiner Anzlennetät zu
befehlen geruht.
Der heutigen Nummer liegt der Reisebericht des Herrn Professor Dr. A. Hirsch über das Auftreten
und den Verlauf der Cholera in den preußischen Provinzen Posen und Preußen bei.
Berlin, Carl Heymann's Verlag: Inhaber: Otto Loewensteln. — Druck von F. Hoffschläger in Berlin.