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4. Marine und Schiffahrt.
Die Königlich norwegische Regierung hat sämmtliche deutsche Häfen für cholerafrei erklärt und bringt
Quarantaine-Maßregeln gegen Schiffe aus solchen Häfen nicht mehr in Anwendung. (Central-Blatt von 1873
Seie 360.)
Die Königlich dänische Regierung hat die Quarantaine für die aus Königsberg und Neufahrwasser
kommenden Schiffe aufgehoben.
In Bremen wird mit den dlesjährigen Seesteuermanns-Prüfungen für große Fahrt am 23. März, 23. Juli
und 23. November, mit den diesjährigen Seeschiffer-Prüfungen für große Fahrt am 19. d. Mts. und 24. August
begonnen werden.
5. Heimath-Wesen.
In Sachen Thorn wider Schulitz hat das Bundesamt für das Heimathwesen angenommen, daß Schiffer in
einem Orte ihren Wohnsitz resp. Aufenthalt haben können, auch wenn sie nicht am Lande, sondern auf ihrem
Kahne wohnen. In den Gründen des desfallsigen Erkenntnisses vom 8. Dezember 1873 heißt es:
Der erste Richter hat den Verklagten verurtheilt, dem Kläger die Beerdigungskosten für den
im Dezember 1871 gestorbenen Schiffer Franz N., sowie die der Ehefrau desselben gewährten Unter-
stützungsgelder zu erstatten. Diese Enischeidung ist gerechtfertigt; denn die Polizeiverwaltung zu
Thorn führt in dem Abzugsschein vom 4. Februar 1871 an, daß Franz N. seinen Wohnsitz von
Thorn nach Graudenz verlegen wolle. Die hieraus hervorgehende Thatsache, daß N. seinen Wohnsitz
bis dahin in Thorn gehabt hat, wird durch die Aussage seiner Wittwe vom 9. Juni 1873 bestätigt
und insofern ergänzt, als danach dieser Wohnsitz in Thorn jedenfalls schon am 15. Mai 1867 be-
gonnen, mithin bis zum 30. Juni 1871 länger als drel Jahre gedauert hat. N. hatte daher am
1. Juli 1871 den Unterstützungswohnsitz in Thorn (§. 1 Nr. 3 des preußischen Armenpflege-Gesetzes
vom 31. Dezember 1842 und §. 65 Nr. 2 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870). Der in zweiter
Instanz beantragten nochmaligen Vernehmung der Wittwe N. bedarf es nicht, denn auch das
Wohnen auf einem Oderkahne konnte den Wohnsit resp. den gewöhnlichen Aufent-
halt in Thorn begründen und erhalten, wenn die Schiffahrt mittelst dieses Kahnes von
Thorn aus betrieben wurde. Dafür, daß letzteres der Fall gewesen sei, spricht der Umstand, daß
N. nach Auskunft der Polizeiverwaltung in Thorn viele Jahre hindurch in der dortigen Schiffer-
seelenliste geführt worden ist, und daß Inhalts der vom Verklagten selbst produzirten Aussage der
Wittwe N. vom 29. Januar 1872 die Familie in Thom Steuern und Abgaben bezahlt und dort
ihre Legitimationspapiere bezogen hat.
In Sachen des Ortsarmenverbandes der Stadt Spandau wider den Armenverband der Stadt Neu-Ruppin
hat das Bundesamt in dem Erkenntniß vom 22. Dezember 1873 angenommen, daß der Erwerb des Unter-
stützungswohnsitzes im Fall des Art. 1 des Gesetzes vom 21. Mai 1855 durch eine Entfernung, welche mit der
Absicht erfolgt, den angemeldeten Wohnsitz beizubehalten, nicht ausgeschlossen wird.
Die Gründe dieser Entscheidung lauten:
Der Arbeiter O. ist, weil er an der Syphilis erkrankt war, am 2. August 1872 in das
städtische Krankenhaus zu Spandau aufgenommen und dort bis zum 27. August 1872 ärgztlich be-
handelt und verpflegt worden. Daß er parate eigene Mittel zur Deckung dieser Kosten hatte, ist
vom Verklagten nicht behauptet. Er war mithin hülfsbedürftig, und die gewährte Unterstützung ist
ihm im Wege der öffentlichen Armenpflege zu theil geworden. Zu der Unterstellung, daß seine
Heilung im polizeflichen Interesse zur Verhütung der weiteren Verbreitung der Krankhelt erfolgt ist,
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