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6. Heimath-Wesen.
Der wegen Unterschlagung verfolgte landarme Arbeiter B. wurde, nachdem er sich freiwillig bei der Poli—
zeibehörde zu Mainz gestellt hatte, nach Hannover transportirt und auf Grund eines Haftbefehls des dorti-
gen Polizeirichters als Untersuchungsgefangener in das Zellengefängniß daselbst aufgenommen. Einige Tage
nach der Einlieferung ward er wegen Erkrankung an den Blattern aus der Untersuchungshaft entlassen und
der Polizeidirektion zur Verfügung gestellt. Diese übergab ihn dem städtischen Blatternhause, wo er starb.
Der Ortsarmenverband Hannover klagte zunächst die Kur- und Beerdigungskosten von dem Landarmenver—
bande Hannover ein, wurde aber durch gleichlautende Erkenntnisse der Hannoverschen Deputation für das
Heimathwesen und des Bundesamts abgewiesen, weil der B. nicht aus dem Bezirk dieses Landarmenverban=
des in die Anstalt eingeliefert worden sei. Als demnächst der Ortsarmenverband Hannover gegen den Land-
armenverband des Kreises Mainz klagte, erkannte das Hessische Verwaltungsgericht erster Instanz (der Pro-
vinzialausschuß der Provinz Rheinhessen) gleichfalls auf Abweisung. Das Bundesamt hat indessen durch
Erkenntniß vom 4. März 1876 diese Entscheidung abgeändert und den Landarmenverband Mainz verurtheilt.
Die Gründe lauten:
in Erwägung,
daß der landarme Arbeiter Friedrich B., welcher wegen einer zu Hannover begangenen
Unterschlagung flüchtig geworden war, von Mainz aus, wo er sich der Polizeibehörde
freiwillig gestellt hatte, als Gefangener nach Hannover transportirt und hier im Zellen-
gefängniß untergebracht wurde.
daß der B. in dem letzteren an den Blattern erkrankte, und daß er deshalb, wie die gericht-
lichen Akten unzweideutig ergeben, aus der Untersuchungshaft entlassen und der Polizei-
behörde in Hannover zur Disposition gestellt wurde,
daß in Folge dieses Verfahrens für den mittellosen B. die öffentliche Armenpflege eintreten
mußte, so daß dem Ortsarmenverbande Hannover für die im dortigen Blatternhause be-
wirkte Verpflegung und für demnächstige Beerdigung des B. Kosten entstanden sind, welche
er nunmehr gegen den Landarmenverband des Kreises Mainz auf Grund der Bestimmung
in §. 30 unter b. des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 eingeklagt hat, wonach
zur Erstattung der durch die Unterstützung eines Landarmen erwachsenen Kosten, falls
der Unterstützte in hülfsbedürftigem Zustande aus einer Stras-, Kranken-, Bewahr-
oder Heilanstalt entlassen wurde, derjenige Landarmenverband verpflichtet ist, aus
welchem seine Einlieferung in die Anstalt erfolgt ist,
in Erwägung, -
daß der erste Richter die Klage des Ortsarmenverbandes Hannover deshalb zurückgewiesen
hat, weil der B. im Bezirke des Landarmenverbandes Hannover hülfsbedürftig geworden
und weil er in das Blatternhaus zu Hannover in bereits hülfsbedürftigem Zustande
und zwar aus dem eben gedachten hannoverschen Landarmenverbands-Bezirke eingeliefert
worden sei,
in Erwägung jedoch, .
daß für die Frage: welcher Landarmenverband als der verpflichtete zu betrachten? die
Sachlage beim Eintritte der Hülfsbedürftigkeit entscheidend ist — daß die Hülfs-
bedürftigkeit des B. und, dem entsprechend die Verpflichtung des Ortsarmenverbandes
Hannover zur Uebernahme der vorläufigen Fürsorge für denselben unzweifelhaft im Augen-
blicke seiner Entlassung aus der Strafanstalt ihre Entstehung gefunden hatte, — daß in
dem nämlichen Augenblicke also auch für den Landarmenverband des Kreises Mainz die
Verpflichtung zur Kostenerstattung auf Grund des allegirten §. 30.b. entstanden war, — daß
nicht abzusehen ist, wie diese letztgedachte Verpflichtung dadurch beseitigt werden konnte,
daß der Ortsarmenverband Hannover die vorläufige Verpflegung des B. in einer anderen
Anstalt, dem Blatternhause, bewirkte, in welche der damals bereits hülfsbedürftige B.
selbstverständlich auch nur in hülfsbedürftigem Zustande gebracht werden konnte — "
daß es auch, was die Anwendbarkeit des — generell disponirenden — §. 30. b. betrifft, keinen