Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Vierter Jahrgang. 1876. (4)

IV. 
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des Beamten die Personen, welchen die Gnadenquartale gebühren, regelmäßig oder doch häufig noch 
gar nicht existirt haben können. Schon das römische Recht kennt Verträge zu Gunsten solcher 
dritter Personen, die zur Zeit des Abschlusses noch nicht am Leben waren (vergleiche Vangerow 
Pandekten §. 608 l. Ziffer 2, lit. e. und f.), außerdem erkennt Appellantin in der Duplik 
Seite 25 flg. an, daß der Anspruch auf Wittwenpension ein Recht des Beamten sei, selbst wenn 
er zur Zeit seiner Anstellung noch nicht verheirathet war. 
Auch die Lebensversicherung kann zu Gunsten solcher Dritter abgeschlossen werden, welche 
zur Zeit der Versicherung noch nicht existirt haben; der Anspruch auf die Versicherungssumme 
aber ist als Recht des Versicherten aufzufassen. Vergleiche Sirey récueil 1874 lI., 199, 
Raleei P. 1876 l. Seite 232 und Maltz, Zeitschrift für Versicherungsrecht II., 411, 419, 
42 flg. — « 
Es ist für die Entscheidung der Frage unerheblich, ob das vermögensrechtliche Verhält— 
niß, welches durch die Anstellung im Staatsdienste begründet wird, als rein privatrechtliches oder 
zugleich als öffentlich-rechtliches aufgefaßt wird; denn auch im öffentlichen Rechte können wohl- 
erworbene Rechte wurzeln und daß nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts der Staat nicht 
blos zum Schutze des Beamten, sondern auch zur Gewährung der ihm versprochenen Vermögens- 
vortheile verpflichtet sei, kann nicht bezweifelt werden. Vergleiche Laband Staatsrecht Ss. 378, 
7. — 
Steht sonach fest, daß den mecklenburgischen Beamten kraft der Konstitution vom 28. März 
1770 und kraft und mit der Anstellung ein Recht auf die Gnadenquartale zugestanden worden 
ist, so folgt daraus, daß durch eine spätere Gesetzgebung im Heimathsstaate dieses wohlerworbene 
Recht den bereits Angestellten weder entzogen noch geschmälert werden durfte. — Wenn auch 
diese Ansprüche erst mit dem Tode des Beamten fällig werden, so sind sie deswegen doch nicht 
bloße Erwartungen, denn der Tod ist nicht etwa — wie im Erbrechte — dasjenige Ereigniß, 
mit dessen Eintritt erst die Existenz des Rechtes beginnt, sondern das kraft der gesetzlichen Ver- 
leihung mit der Anstellung verbundene und erworbene Recht wird mit dem Tode wirksam. 
Auch der Umstand, daß diese Wirksamkeit davon bedingt ist, daß der Beamte bis zu 
seinem Tode im aktiven Dienste verbleibe, gestattet nicht, daß es den Aenderungen durch spätere, 
bor Eintritt des Todes erlassene Gesetze unterworfen werde. Vergleiche von Savigny System 
. 387. — « 
Die in den beiden Bestallungen des Verstorbenen vom 19. August 1854 und 20. Juli 
1859 hinsichtlich des zugesicherten Gehaltes gemachten Vorbehalte haben für die hier streitige 
Frage keinerlei Bedeutung; es könnte höchstens daraus, daß solche für nothwendig befunden worden 
sind, gegen die Appellantin gefolgert werden. 
Waren demnach die im mecklenburgischen Postdienste angestellten Beamten dagegen ge- 
sichert, daß ihr Recht auf die Sterbe= und Gnadenquartale, sowie solches durch die mehrerwähnte 
Konstitution von 1770 garantirt war, ihnen gegenüber durch kein späteres mecklenburgisches Gesetz 
gekränkt werden durfte, so mußten sie in ganz gleicher Weise und aus den gleichen Gründen auch 
gegen eine Aenderung durch die Gesetzgebung des Deutschen Reichs gesichert sein, nachdem dieses 
diejenigen Verpflichtungen übernommen hatte, welche dem mecklenburgischen Staate gegen seine 
ehemaligen, nunmehr in den Dienst des Reiches übergetretenen Beamten obgelegen hatten. — 
Diese Uebernahme der fraglichen Verbindlichkeiten durch das Reich verstand sich nicht von selbst, 
in der Verfassung des Norddeutschen Bundes war sie nicht vorgesehen. Gleichwohl hat die Post- 
verwaltung durch das Zirkular vom 21. Februar 1868 den Postbeamten, denen von jetzt ab 
das Gehalt monatlich ausbezahlt werden sollte, ausdrücklich zugesichert, daß dadurch am An- 
spruche auf Sterbe= und Gnadenquartale nichts geändert werde. — 
Durch den Artikel 18 Absatz 2 der Reichsverfassung ist nun aber allgemein den zu 
einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundesstaates zugesagt, daß ihnen, sofern nicht vor 
ihrem Eintritte in den Reichsdienst im Wege der Reichsgesetzgebung etwas Anderes bestimmt ist, 
dem Reiche gegenüber diejenigen Rechte zustehen, welche ihnen in ihrem Heimathslande aus ihrer 
dienstlichen Stellung zugestanden hatten. — 
Entgegen den früheren Ausführungen in der Vernehmlassung pag. 18, 41, 42 und in 
der Duplik Seite 59 flg. stellt sich, wie im Eingange angeführt, die Rechtfertigungsschrift
	        
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