Sachsen. Lindenaus Rücktritt. 341
hielt und mithin für eine ernsthafte katholische Reformbewegung den denk-
bar ungünstigsten Boden bildete. Die glücklichen ersten Jahre des sächsi-
schen Verfassungslebens gingen zu Ende. Minister Lindenau, der Schöp-
fer des Grundgesetzes fühlte sich nicht mehr sicher. In Wien war er sehr
schlecht angeschrieben; denn er verhehlte nicht, daß er die Beschlüsse der
Ministerkonferenzen von 1834 für bedenklich hielt; er wurde in den
deutschen, den französischen, den englischen Zeitungen beständig als Geg-
ner Metternichs gefeiert und hatte einmal eine sehr peinliche diploma-
tische Auseinandersetzung mit den beiden deutschen Großmächten wegen
ultraliberaler Außerungen, die ihm die Presse andichtete.) Am Hofe ver-
zieh man ihm nie, daß er dem Könige geraten hatte, die Einkünfte des
Kammergutes gegen eine Zivilliste hinzugeben, was nach der strengen
Hallerschen Doktrin für eine Entwürdigung des Königtums galt.*) Die
erste Kammer zeigte sich dem Minister feindlich; der Grundadel wollte
weder in die Aufhebung der Patrimonialgerichte willigen, noch in ein
billiges Wildschadengesetz, dessen die kunstvolle Landwirtschaft des dicht-
bevölkerten Landes doch gar nicht entraten konnte. Auf der anderen Seite
begann der Radikalismus, der hier seit Jahren unter dem Boden ar-
beitete,) sichtlich zu erstarken, zuerst im Vogtlande. Neue Abgeordnete
zogen in die Kammer ein, zunächst die Vogtländer Todt, Dieskau, Watz-
dorf, wohlmeinende Liberale, die sich doch gedankenlos von der Strömung
des Tages forttreiben ließen und bald zu der Forderung des Einkammer-
systems gelangten. Zwischen diesen feindlichen Mächten wußte Lindenaus
zarte Gelehrtennatur sich nicht zu behaupten; zum Bedauern aller Ein-
sichtigen im Lande nahm er 1843 seinen Abschied.
An die Spitze des Ministeriums trat nunmehr der Justizminister
v. Könneritz, ein tüchtiger Jurist von hartkonservativer Gesinnung. Die
neue Regierung war nicht geradezu reaktionär, aber dem Liberalismus
feindlich, da jetzt ein anderer Wind von Berlin her wehte; und man merkte
ihr rasch jene Ratlosigkeit an, welche gemeinhin revolutionären Be-
wegungen vorangeht. Die Behörden verfuhren bald schwach, bald hart.
Schwere Not brach herein, mehrere Städte wurden von großen Bränden
heimgesucht; die Dürre des Jahres 1842, die Kartoffelkrankheit, die Ge-
schäftsstockung in vielen großen Gewerbsbetrieben des Erzgebirges nährten
die allgemein schleichende Unzufriedenheit. Auf dem Landtage verteidigte
Minister Könneritz tapfer und beredt die völlig verlorene Sache des alten
geheimen schriftlichen Strafprozesses; er stand fast allein, die Liberalen
aber veranstalteten eine Sammlung, damit einer ihrer juristischen Führer,
Braun die Länder des öffentlichen Verfahrens bereisen und sich über die
*) Minister v. Minckwitz, Verbalnote für die Gesandten in Berlin und Wien,
9. Dez. 1831.
*“) Jordans Bericht, 25. Aug. 1843.
* #) S. o. IV. 153.