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Zweiter Abschnitt.
Die Kennzeichen der wichtigsten Krankheiten bei lebenden und geschlachteten Tieren nebst
Bemerkungen über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau.
I. Infektionskrankheiten.
Eine größere Anzahl von Krankheiten des Menschen und der Tiere wird durch kleinste, nur
mit Hilfe starker Vergrößerungsgläser erkennbare, zu den niedrigsten Lebewesen, insbesondere den
Bakterien zählende Gebilde hervorgerufen. Diese dringen in den tierischen Körper durch natürliche
Offnungen, z. B. das Maul, die Nase oder durch Verletzungen ein, leben und vermehren sich in dem-
selben und bilden die eigentlichen Träger des Ansteckungsstoffs.
1. Der Milzbrand.
Der Verlauf und die Krankheitserscheinungen sind verschieden. Schafe sterben gewöhnlich
plötzlich, ohne daß man vorher an ihnen erheblichere Krankheitserscheinungen bemerkt hat. Bei Rindern
dauert die Krankheit gewöhnlich mehrere Stunden bis zwei Tage. Sie zeigen ohne nachweisbare
Ursache Unruhe, Aufregung oder Abstumpfung, Muskelzittern, hohes Fieber, Atembeschwerden, gesträubtes
Haar, mangelnde Freßlust, Störung des Wiederkäuens, leichtes Aufblähen; die Ausflüsse aus den
natürlichen Körperöffnungen können mit geringen Mengen Blut vermischt sein. In manchen Fällen
findet man schnell wachsende Anschwellungen oder umschriebene Knoten an der Körperoberfläche; die
letzteren sind anfänglich heiß und schmerzhaft, später kalt und schmerzlos.
Das Blut ist dunkelrot, teerartig. Das Muskelfleisch kann dunkelrot gefärbt, weich und mit
Blutungen durchsetzt sein. Unter der Haut finden sich gelbe, sulzige Massen, gelbe, wässerige Flüssigkeit
oder rotsulzige Einlagerungen. Die Milz ist in den meisten Fällen gleichmäßig oder beulig stark
geschwollen, schwarzrot, weich, auf der Schnittfläche entleert sich teerartiges Blut. Unter den serösen
Häuten und in der nicht selten entzündeten Darmschleimhaut machen sich häufig Blutpunkte bemerkbar.
Beim Schweine ist das gesamte Bindegewebe am Halse wässerig blutig durchtränkt.
In vielen Fällen sind die erwähnten Kennzeichen der Krankheit nur undeutlich vorhanden oder
es fehlen manche derselben. Als der Milzbrandkrankheit besonders verdächtig haben zu gelten alle
Rinder, deren Milz geschwollen und erweicht ist, welche blutigen Durchfall hatten und bei denen die
Darmschleimhaut geschwollen, mit Blutpunkten oder Blutstreifen besetzt ist und ein schokoladenfarbener
bis schwarzroter, blutiger Darminhalt gefunden wird.
Auf Milzbrand ist namentlich zu achten bei Rindern, Schafen und Ziegen (§ 8). Die
Schlachtung ist zu verbieten (§ 9). Der Polizeibehörde ist Anzeige zu erstatten (§§ 14, 32). Die
Fleischbeschau bleibt dem Tierarzte vorbehalten (§ 31). Der Beschauer hat Hände und Arme gründlich
zu reinigen und zu desinfizieren (§ 16); vgl. auch Anhang Nr. 2. Diese Schutzmaßregel ist über-
haupt allen beim Schlachten behilflich gewesenen Personen dringend zu empfehlen. Personen, welche
Wunden an den Händen haben, sollten, auch wenn die Verletzungen nur unbedeutend sind, ohne Verzug
die Hilfe des Arztes in Anspruch nehmen. Die Gefahr der Ubertragung des Milzbrandes von Tier
auf Mensch beim Abhäuten und Zerlegen von Tieren ist sehr groß; der Milzbrand ist auch beim
Menschen eine schwere, oft tötliche Krankheit.
2. Der Rauschbrand.
Für diese Krankheit sind fast ausschließlich die Rinder (zwischen 1 und 4 Jahren) empfänglich;
in seltenen Fällen wird sie bei Schafen und nur ganz ausnahmsweise bei anderen Tierarten beobachtet.
Die Krankheit endet fast immer nach 1½ bis 3 Tagen tödlich.
Bei der Lebendbeschau fallen die große Abstumpfung der Tiere infolge hohen Fiebers
sowie flache, teigige, beim Uberstreichen knisternde („rauschende"), sich rasch ausbreitende Anschwellungen
besonders an den Oberschenkeln, am Halse, an den Schultern sowie an der Unterbrust und in der
Rücken= und Kreuzgegend auf.
Bei der Untersuchung des geschlachteten Tieres findet man an der Stelle der Anschwellungen
das Bindegewebe der Unterhaut sowie zwischen und in den Muskeln mit Gasblasen und Blut durch-