556 Der Frankfurter Fürstentag. 1863
Besonders charakteristisch für Osterreichs Wünsche war
der Artikel 8 der Reformacte, Krieg und Frieden betreffend.
Ergäbe sich Gefahr eines Angriffs auf den Bund oder einen
Theil des Bundesgebiets, oder erschiene das europäische Gleich-
gewicht in einer für den Bund bedenklichen Weise gefährdet,
so sollte das Directorium alle Vorkehrungen treffen, das
Bundesheer mobil machen, den Bundesfeldherrn ernennen.
Die förmliche Kriegserklärung würde vom Bundestag, oder
wie er hier hieß, vom Bundesrath, mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln beschlossen. Ergäbe sich aber die Gefahr eines
Kriegs zwischen einem Bundesstaat, der zugleich außerhalb
des Bundcsgebiets Besitzungen hat, und einer auswärtigen
Macht, so würde auf Antrag des Directoriums der Bundes-
tag über die Betheiligung an diesem Kriege (z. B. Osterreichs
über Venctien) mit einfacher Stimmenmehrheit entscheiden.
Dieses Verhältniß, qualificirte Mehrheit für eine Vertheidigung
des Bundesgebiets, einfache Mehrheit für die Beschützung
außerbündischer Lande, war doch auch den getreuen Mittel-
staaten zu viel. Auf sächsisch-nassauischen Antrag wurde für
beide Fälle die Zweidrittelmehrheit festgesetzt. Der Artikel
blieb auch dann noch ein Fortschritt in Osterreichs Sinne,
da der Artikel 47 der Wiener Schlußacte für den zweiten
Fall die Bedingung gestellt hatte, daß bei einem feindlichen
Angriff auf außerbündisches Land der Bundestag zugleich
eine Gefahr für das Bundesgebiet anerkannt hätte.
Wenn die Reformacte nach alledem für Preußen un-
annehmbar war, so gelang es ihr ebenso wenig, populäre
Gunst zu erwerben. Neben der Fürstenconferenz tagte damals
in Frankfurt auch eine Versammlung von 300 Mitgliedern
aller deutschen Kammern außer Osterreich. Diese kam am