§ 208. Eigentumserwerb an Früchten. 147
Beispiele. I. A. hat an einem seiner Güter vom 1. Juli ab dem B. den Nießbrauch
bestellt, während er ein andres Gut vom selben Tage ab dem C. verpachtet hat; er ver-
zögert aber bei beiden Gütern die Übergabe ohne Grund bis zum 15. August und besorgt
in der Zwischenzeit die Ernie für sich selbst. Hier gelangt die Frucht auf dem ersten Gut
mit der Trennung vom Boden in das Eigentum des B., auf dem zweiten Gut in das
Eigentum des A. II. D. hat am 10. Oktober alle Trauben seines Weinberges dem Nach-
bar E. überlassen: E. soll die auf den 20. Oktober festgesetzte Lese selber vornehmen und in
der Zwischenzeit für die Bewachung des Weinberges sorgen; am 19. Oktober werden aber
die meisten Trauben von F. gestohlen. Hier ist es fraglich, ob man in der Abmachung des 10.
Oktober eine Übergabe des Weinberges von D. an E., die den E. zum Besitzer machte,
sehn will; bejaht man die Frage, so gehören die Trauben von dem Augenblick ab, in dem
F. sie brach, dem E, andernfalls gehören sie dem D. III. G. hat von H. einen guten und
einen schlechten Acker gepachtet und ist im Pachtbesitz beider; am 1. Juli hört die Pacht
des guten Ackers auf; G. benutzt aber die Unkenninis der Erben des inzwischen verstorbenen
H. und gibt ihnen am 1. Juli den schlechten Acker zurück, ohne den guten Acker zu er-
wähnen. Hier gewinnt G. das Eigentum der seit dem 1. Juli getrennten Früchte auf
keinem der Aücker, auf dem guten nicht, weil die für ihn erteilte Erlaubnis zum Frucht-
bezuge erloschen ist, auf dem schlechten nicht, weil er ihn nicht mehr in Besitz hat. 1V.
Minen in der Ernte, am 3. August 10 Uhr, erhält der Pächter J. von dem Verpächter K.
einen Brief, in dem ihm wegen Verwüstung des Pachtguts die Pacht „auf sofort“" gekündigt
wird 1553, 581); J. läßt den Brief unbeachtet und setzt die Ernte sort. Hier gehört, wenn
die Kündigung nicht gerechtfertigt war, die ganze Ernte dem J.; war die Kündigung ge-
rechtfertigt, so gehört alle Frucht, die seit dem 3. August 10 Uhr geschnitten ist, dem K.
) Anfallsberechtigt ist viertens, wer zwar jeder Befugnis zur eigen-
mächtigen Gewinnung der Früchte darbt, trotzdem aber die Befugnis tatsächlich
ausübt, also der unbefugte Nutznießer der Muttersache. Doch setzt sein An-
fallsrecht — ähnlich wie das des Pächters — voraus, daß er zum Zweck des
Fruchtbezuges den Besitz der Muttersache erworben hat und auch noch zur
Zeit der Trennung der Früchte in diesem Besitz ist sowie daß er beim Besitz-
erwerbe wegen seiner Befugnis zum eigenmächtigen Fruchtbezuge in gutem
Glauben gewesen ist und auch in der Zwischenzeit bis zur Trennung der
Früchte den Mangel dieser Befugnis nicht erfahren hat (s. 955 I II, 957).
Ist sein guter Glaube oder seine nachträgliche Sachkenntnis streitig, so trifft die
Beweislast nicht ihn, sondern die Gegenpartei.
Beispiele. I. A., dem das Gut Kunzendorf gehört, hat nach dem Tode seines Nach-
bars B. die zu dessen Gut Nassadel gehörige an sein eignes Gut angrenzende Erlenwiese
Unbefugtermaßen in Besitz genommen; einige Jahre später übereignet A. kurz vor dem
Gmsschnut Kunzendorf an C. und spiegelt ihm dabei vor, die Erlenwiese gehöre mit dazu;
C nimmt denn auch die Wiese gutgläubig in Besitz, erfährt aber ein paar Tage darauf,
daß die Wiese zu Nassadel gehört; inzwischen ist das Gras geschnitten. Hier können die
Erben B.s dem C. die Wiese selbst abdringen; dagegen müssen sie ihm das noch auf der
Wiese liegende Gras lassen. II. Gleicher Fall; nur hat A. sein Gut Kunzendorf dem C.
nicht übereignet, sondern verpachtet. Hier ist die Entscheidung dieselbe wie zu I. III. Gleicher
Fall wie zu I.: nur hat C. jahrelang nicht erfahren, daß die Erlenwiese zu Nassadel gehört,
und demgemäß jahrelang ihren Grasertrag für sich behalten; freilich haben sich in der
Zwischenzeit die Anzeichen dafür gehäuft, daß er die Wiese zu Unrecht besitzt: neu aufge-
fundene Grenzsteine, gelegentliche Mitteilungen alter Knechte sprechen deutlich dafür; C.
kümmert sich aber um diese Anzeichen nicht. Hier wird C. trotzdem alle diese Jahre hin-
durch Eigemtümer des auf der Wiese geschnittenen Grases; je leichtfertiger er ist, desto länger
wird er sich das Heu und das Grummet der Erlenwiese sichern. IV. Dem D. ist von E.
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