8 249. Zwangsvollstr. in Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören. 343
2. a) Die Regeln zu 1 sind aber durchweg bestritten. Insbesondre wird
für Fahrnissachen vielfach folgende Lehre vorgetragen.“
æ) Die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in eine Fahrnissache wird
nicht durch das Eigentum, sondern durch den Besitz an ihr bedingt. Dem-
gemäß begeht ein Gläubiger, der eine im Besitz des Schuldners befindliche,
aber einem Dritten gehörige Fahrnissache pfändet und durch Pfandverkauf
veräußert, kein Delikt, selbst wenn er das Eigentum des Dritten nachweislich
gekannt hat, und auch seine Bereicherung darf nicht als eine ungerechtfertigte
angesehn werden; er ist also dem Dritten weder auf Schadensersatz noch auf
Herausgabe seiner Bereicherung haftbar. Eine Ausnahme soll nur dann gelten,
wenn der Gläubiger den Dritten mit Vorsatz und im Widerspruch zur guten
Sitte geschädigt hat (826).
6) Die Vollstreckungsbehörden müssen bei der Zwangsvollstreckung in eine
im Besitz des Schuldners befindliche Fahrnissache auch dann mitwirken, wenn
offensichtlich ist, daß die Sache einem Dritten gehört.
)) Durch die Pfändung einer im Besitz des Schuldners befindlichen
Fahrnissache erlangt der Gläubiger ein gültiges Pfandrecht auch dann, wenn
er gewußt hat, daß die Sache im Eigentum eines Dritten stand.
b) Doch ist der Sinn der Lehre zu a selbstverständlich nicht der, daß der
Dritte sich die Zwangsvollstreckung in seine Sache bloß um deswillen, weil sie
sich in des Schuldners Besitz befindet, wehrlos gefallen lassen müßte. Jene
Lehre beschränkt aber den Dritten darauf, kraft seines besseren Rechts im Wege
der Klage die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung zu untersagen, so daß es,
wenn der Dritte von diesem Klagrecht nicht rechtzeitig Gebrauch macht, bei
den Sätzen zu a endgültig sein Bewenden behält.
Einen Beweis für die Richtigkeit der zu 1 oder der zu 2 vorgetragenen Lehre zu er-
bringen ist unmöglich; denn was der Gesetzgeber über die Frage gedacht, ist zu unklar, was
er über sie gesagt, ist zu lückenhaft, als daß sich daraus sichere Schlüsse ziehn ließen.
So liegt hier wieder einmal eine Lücke der Gesetzgebung vor, die nur durch ein hier
freilich besonders problematisches Recht der Wissenschaft ausgefüllt werden kann.
Selbstverständlich gibt es außer den zu 1 und 2 genannten Theorien über unfre Frage
noch eine Reihe andrer Meinungen, die sich zu einem überaus zierlichen juristischen Mosaik
zusammenfassen lassen.“ Ob dessen Pracht muß dem zünftigen Juristen das Herz im Leibe
lachen; das Publikum aber ringt die Hände.
VII. Jeder Gläubiger kann die verschiedenen zulässigen Arten der Zwangs-
vollstreckung nebeneinander und zwar zu gleicher Zeit in verschiedene Gegen-
stände betreiben, bis er vollständig befriedigt wird. Doch wird diese Regel
nur bei Grundstücken streng durchgeführt. Dagegen darf der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung in Fahrnissachen und Rechte von vornherein nicht weiter
4) Francke, Ztsch. f. Zivilprozeß 36 S. 308; W. A. Müller, Wirksamkeit des Pfändungs-
pfandrechts (07); Emmerich, Pfandrechtskonkurrenzen (09) S. 444.
5) Siehe Freund, Eingriff in fremde Rechte (02); Ortmann, Arch. f. ziv. Pr. 96 S. 1;
Wolff, Zwangsvollstreckung in eine dem Schuldner nicht gehörige bewegliche Sache (05); R.
Schmidt, Lehrb. d. Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. (06) S. 1038.