Volkstümliches aus dem Nachlasse von Rudolf Hildebrand. 99
Fr.: Wo geht hier der Weg nach 42
B. Den schneid' ich bis zu dem Knötchen ab.
Fr.: Wie weit ist's denn noch zu gehen?
B.: Das soll einen Agxtstiel geben.
(entfernt sich mit einem nicht wiederzugebenden
Wunsche).
Vorstehendes Mißverständnis führen auch die Bergheimer
Bauern auf Schwerhörigkeit zurück (vgl. a. O. S. 298 unten)
und meinen, der Schwerhörige, der ja sein Leiden gern ver-
birgt, habe sich rasch die Antworten auf die Fragen zurecht-
gelegt.“
Berühmt ist Hildebrands kleine Abhandlung: Metrisches
aus dem Kinderliede. (Ztschr. f. d. dtsch. Unterr. 3, 1 ff. Bei-
träge z. dtsch. Unterr. 43 ff.). Sie verwirft die alte Schul-
metrik. Diese gliedert den deutschen Vers in Jamben und
Trochäen, Daktylen und Spondeen u. s. w., nur mit dem Zu-
geständnis, daß diese Versfüße nicht aus langen und kurzen,
wie in der antiken Metrik, sondern aus bekonten und unbe-
tonten Silben hergestellt würden. Unsere deutsche Metrik
ist aber eine ganz andere.
H. geht aus von dem Spiel= und Tanzliedchen:
Bauer, baue Kessel,
Morgen wird es besser,
Übermorgen tragen wir Wasser ein,
Fällt der ganze Kessel ein.
C□C#
*1
Das übermorgen in der dritten Zeile, das mit seinen
vier Silben nur einen Versfuß darstellt, bedeutet eine Über-
stürzung des Rhythmus, die in der Schulmetrik unmöglich
ist. Es stehen in der ersten Senkung drei Silben lülbermorgen.
Das ist nur deshalb angängig, weil diese Silben an Gewicht
nicht gleichwertig sind; die mittlere überragt die beiden andern.
Guten Anlaß zu solchem Übereilen der rhythmischen Be-
wegung hat der Inhalt gegeben. Er verlangt, daß der Ein-
sturz am Schlusse vorbereitet wird. Dem gesteigerten Vers-
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