Full text: Volkstümliches aus dem Königreich Sachsen auf der Thomasschule gesammelt. Zweites Heft. (2)

Volkstümliches aus dem Nachlasse von Rudolf Hildebrand. 105 
mustergiltige Arbeit abgab: Bauer, baue Kessel, beschäftigt 
sich auch ein anderer Aufsatz von ihm: 
Ein Kinderlied mit tiefem Hintergrunde. (Ztschr. f. den 
dtsch. Unterr. 2,475ff. — Beitr. z. dtsch. Unterr. 33ff.) 
Mit mannigfachen Abänderungen ist das Spiel be— 
sonders in Sachsen, Osterland und Thüringen verbreitet. 
„Ich kenne es aus meinen frühesten Kinderjahren“, so 
erzählt Hildebrand*), „etwa aus meinem vierten Jahre, 
aus Leipzig. Es ist ein Ringelreihen, wir faßten uns also 
bei den Händen und sangen im Kreise schreitend, in einer 
ganz einfachen Melodie, die doch auch ihrer berechneten Kunst 
nicht entbehrt. Sinn hatte man ja daran nicht viel, im 
Eingang eigentlich gar keinen, aber großen Spaß, so recht 
für kleine Kinder berechnet. Es wird nämlich mit würdigem 
Schreiten angefangen, in strengem Takte nach dem Versmaß, 
das hab ich gerade an dem Spruche zuerst gelernt und 
macht große Freude. Bei der dritten Zeile aber, die auch 
im Versbau aus dem strengen Takte mit einer Art Über— 
füllung des rhythmischen Rahmens herausstrebt, geht das 
Schreiten in ein freies Trippeln, die Strenge in eine Art 
Auflösung über und endet bei der vierten, dem Inhalt ent- 
sprechend, in einem Zusammenbruch des kleinen Ganzen, so- 
daß Schreiten und Singen, Rhythmus und Tanz, alles in 
die Brüche geht und mit den singenden Tänzern selbst 
zusammenpurzelt. Das giebt denn ein großes Lachen, das 
sich mit dem Singen wunderlich mischt, die letzte Zeile wird 
auch mit einem Pauzl! oder Plauzl eingeleitet, das aus dem 
rhythmischen Rahmen schon ganz heraustritt. Auch die 
Melodie löst sich schon bei der dritten Zeile aus dem 
strengen Singen los und geht in ein singendes Sprechen, 
ein parlando, über, strebt übrigens möglichst in die Höhe, 
um bei der letzten in der Tonleiter, aber auch parlando, 
möglichst tief herunter zu gehen, sodaß auch die Melodie den 
)Um Hildebrands liebevolles Verständnis für solche Dinge zu 
zeigen, führe ich seine meisterhafte Schilderung an.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.