Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

V. Reichstag. Art. 32. 473 
der Zeugenpflicht auf Grund der §8 50, 69 St. P. O. angeordnete Haft rechnen. 
Eine unbeschränkte Ausdehnung des Privilegs auf die Zeugnispflicht wäre 
übrigens um so weniger gerechtfertigt, als den Abgeordneten bereits durch 
88 382, 402 C.P.O. und §8 49, 72 St. P.O. die Erleichterung geboten ist, 
daß sie während der Sitzungsperiode und ihres Aufenthalts in Berlin nur 
mit Genehmigung des Reichstags an einem anderen Orte als Zeugen oder 
Sachverständige vernommen werden dürfen. 
Artikel 32. 
Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung 
beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes. 
I. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 32. 
II. Die Entschädigung der Reichstagsmitglieder. 
III. Das Verbot jeder anderen Besoldung. 
1. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 32. 
Art. 32 hat seine derzeitige Fassung durch das Ges. v. 21. Mai 1906 
R.G.Bl. S. 467 erhalten. Bis dahin lautete Art. 32: 
„Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung 
oder Entschädigung beziehen.“ 
In dieser Fassung entsprach der Artikel dem von den Verbündeten 
Regierungen vorgelegten Verfassungsentwurf. Der konst. Reichstag hatte 
dagegen folgenden Antrag der Abg. Weber und v. Thünen angenommen: 
„Die Mitglieder des Reichstags erhalten aus der Bundeskasse Reisekosten 
und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Bis zum Erlasse dieses Gesetzes 
stellt das Bundespräfidium die Höhe derselben fest. Ein Verzicht auf die 
Reisekosten und Diäten ist unstatthaft“: Anlagen S. 44. Der Antrag 
wurde nur mit der geringen Mehrheit von 136 gegen 130 Stimmen an- 
genommen, St. B. 482. Bei der Schlußberatung v. 15. April 1867 bezeich- 
nete Fürst Bismarck die Annahme dieses Antrags als eins der beiden 
Momente, die das Zustandekommen der Verfassung verhindern würden, 
St. B. 645 ff. (das andere Moment betraf die Feststellung der Friedens- 
präsenzstärke der Armee). Auf Antrag des Abg. v. Arnim wurde darauf 
in derselben Sitzung der Regierungsentwurf wiederhergestellt und zwar mit 
einer Mehrheit von 178 gegen 90 Stimmen. Von da an wurde der 
Antrag auf Bewilligung von Diäten noch sehr oft gestellt. In den ersten 
Sessionen wurde er vom Reichstag abgelehnt, später ist er wiederholt vom 
Reichstag angenommen worden, ohne daß der Bundesrat diesen Beschlüssen 
Folge gab, bis i. J. 1906 die Verbündeten Regierungen den Wunsch des 
Reichstags erfüllten. Die veränderte Stellung der Verbündeten Regierungen 
in dieser prinzipiellen Frage ist wohl weniger auf den Wechsel der poli- 
tischen Anschauungen zurückzuführen, als auf eine allmähliche Anderung 
der tatsächlichen Verhältnisse, durch welche die Haltung der Regierungen 
beeinflußt wurde. 
Die Diätenlofigkeit war seiner Zeit als ein Korrelat für die Ein- 
führung des allgemeinen Wahlrechts gedacht, dessen als möglich voraus- 
geahnter radikaler Wirkung die Tatsache gegenüber gestellt werden sollte,
	        
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