548 VIII. Post- und Telegraphenwesen. Art. 48.
gesehene Beschränkung auf die Ausführung der Reichsgesetze in Wegfall
gebracht ist, andererseits ist die Beschränkung auf die im Norddeutschen
Bunde vorhanden gewesene Regelung bestimmt. Hierbei ist übrigens zu
bemerken, daß im Art. 48 Abs. 2 der Verfafsung des Norddeutschen Bundes
die Bestimmung lautete: „nach den gegenwärtig in der preußischen Post-
und Telegraphenverwaltung maßgebenden Grundsätzen.“ In dem Minwen
auf die Praxis des Norddeutschen Bundes liegt also eingeschlossen ein
Hinweis auf die Praxis der preußischen Postverwaltung. Wie für alle
Ressorts so steht es auch hier im freien Ermessen der Reichsverwaltung, ob
sie die unbeschränkte Freiheit, die ihr die administrative Regelung gibt,
oder die Gebundenheit, aber damit auch die aus der Beteiligung der Volks-
vertretung hervorgehende Entlastung von der ausschließlichen Verantwortung
vorzieht. Natürlich ist bei allen Neueinrichtungen, die mit Ausgaben ver-
bunden find, die Mitwirkung der Volksvertretung durch die Notwendigkeit,
die Ausgaben in den Etat einzustellen, gesichert.
Für die Telegraphie ist eine Anderung des durch Art. 48 Abs. 2 auf-
recht erhaltenen früheren Rechtszustandes mittels des Reichsges. v. 6. April
1892 R.G. Bl. S. 468 herbeigeführt worden. Während — wie bei der Be-
ratung der Verfassungsbestimmung in der Sitzung des konst. Reichstags
v. 2. April 1867 St. B. 515 der preuß. Handelsminister Graf v. Itzenplitz
hervorhob — die Gebühren für telegraphische Depeschen damals nicht durch
Gesetze bestimmt waren, also auch im Wege des Reglements abgeändert
werden konnten, hat § 7 des Ges. v. 6. April 1892 vorgeschrieben, daß die
für die Benutzung von Reichs-Telegraphen- und Fernsprechanlagen bestehenden
Gebühren nur auf Grund eines Gesetzes erhöht werden können und daß
eine Ausdehnung der gegenwärtig bestehenden Befreiungen von solchen
Gebühren nur auf Grund eines Gesetzes zulässig ist. Danach ist also zur
Ermäßigung der Gebühren kein Gesetz notwendig, und die für Telegraphen-
Gebühren bestehenden Befreiungen bleiben erhalten. Sie brauchen nicht
auf ein Gesetz zurückgeführt zu werden, weil auch sie nach dem vor der
Gründung des Reichs geltenden Recht nicht gesetzlich geregelt waren; vygl.
die Erklärung des Präsidenten Delbrück in der Reichstagssitzung v. 8. Mai
1869 St. B. II 880. Dagegen lag, wie der Präsident Delbrück weiter er-
klärte, der Fall in Ansehung des Postportos verfassungsmäßig anders, weil
das Postporto in Preußen durch Gesetze geregelt war und daher auch im
Bunde, bez. im Reiche der gesetzlichen Regelung unterlag; vgl. die Erklärung
des Präfidenten Delbrück (Reichstagssitzung v. 24. April 1869 St. B. S. 561)
und v. Rönne II 1 S. 290 A. 1. Seit dem Gesetz v. 1892 besteht also nach
dieser Richtung zwischen den Post= und Telegraphengebühren kein Unter-
schied mehr, soweit es sich um die Erhöhung der bestehenden Sätze handelt.
Natürlich kann die Bestimmung des Art. 48 Abs. 2 wie allgemein, so auch
für einzelne Fälle — nach dem Präjudiz des Gesetzes v. 1892 — durch
ein verfassungänderndes Reichsgesetz außer Kraft gesetzt werden. Die Aus-
führungen des Abg. Lasker in der Reichstagsfitzung v. 8S. Mai 1869 St.B. II
S. 881, daß gegenüber dem übereinstimmenden Wunsch der Regierungen
und des Reichstags, eine vom Art. 48 Abs. 2 betroffene Angelegenheit im
Wege der Gesetzgebung zu regeln die Inkompetenzfrage nicht aufgeworfen
werden könne, find nur mit der Einschränkung anzuerkennen, daß eine ent-
gegen der Bestimmung des Art. 48 Abs. 2 anstatt durch Verordnung im