600 XI. Reichskriegswesen. Art. 63.
Bd. 20 S. 148, Bd. 24 S. 36, Bd. 35 S. 13, Bd. 43 S. 15. An und
für sich müßte es soviele Kontingente geben, als Einzelstaaten vorhanden
find, aber die Einzelstaaten haben bis auf Bayern, Sachsen und Württem-
berg zugunsten Preußens auf die eigene Militärverwaltung verzichtet und
ihre dahin gehenden Befugnisse zum größten Teile im Wege der durch
Art. 66 zugelassenen Militärkonventionen auf Preußen übertragen, sodaß
jetzt nur noch vier selbständige Kontingentsverwaltungen bestehen. Von den
vier Kontingenten haben Bayern und Württemberg eine besondere Rechtslage.
Ihnen ist durch die Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt der R.V. das
Vorrecht eingeräumt, daß die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften
in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrages v. 23. Nov.
1870 B. G. Bl. 1871 S. 9 zu llIl §5, in Württemberg nach näherer Be-
stimmung der Militärkonvention v. 21./25. Nov. 1870 B.G. Bl. S. 658 zur
Anwendung kommen. Beide Staaten sind aber unter sich nicht gleichgestellt.
Während Württemberg gegenüber im Wege der genannten Militärkonvention
die Geltung der Bestimmungen des Xl. Abschnittes im wesentlichen durch-
geführt ist, besteht für Bayern der fundamentale Unterschied, daß das
bayrische Heer in Friedenszeiten nicht dem Befehl des Kaisers, sondern dem
des Königs von Bayern unterstellt ist; der Bündnisvertrag vom 23. Nov.
1870 bestimmt nämlich zu III § 5 III Satz 1:
„Das bayrische Heer bildet einen in sich geschlossenen Bestandteil des
deutschen Bundesheeres mit selbständiger Verwaltung unter der Militär-
hoheit des Königs von Bayern, im Kriege — und zwar mit Beginn
der Mobilisierung — unter dem Befehl des Bundesfeldherrn.“
Zur Erklärung dieser Bestimmung bemerkte der Präsident Delbrück
in der Reichstagssitzung v. 5. Dez. 1870 St. B. 69 bei der Verhandlung
über die Annahme des Bündnisvertrages, daß es sich dabei um eine Kon-
zession an die reale Macht gehandelt habe, die der nach Preußen größte
Bundesstaat im Reich entfalten könne. Jedoch sind eine Reihe von später
noch zu erörternden Maßregeln getroffen, um sicherzustellen, daß das bayrische
Heer im Kriegsfalle mit den anderen Kontingenten ein geschlossenes Ganze
bildet.
Bezüglich der Kommandogewalt besteht also — unbeschadet der den
Bundesfürsten durch die Verfassung und durch die Konventionen reservierten
Rechte — Einheitlichkeit durch den gemeinsamen Oberbefehl des Kaisers, im
Kriege ohne jede Ausnahme, im Frieden unter Ausschluß von Bayern.
Für die Armeeverwaltung besteht grundsätzlich Selbständigkeit der unter
Berücksichtigung der abgeschlossenen Konventionen noch übrig gebliebenen
vier Kontingente der vier Königreiche. Dies ergibt sich aus dem das Ver-
hältnis zwischen Reich und Einzelstaaten in allen ihren wechselseitigen Be-
ziehungen beherrschenden Satze, daß dem Reich nur diejenigen Rechte
zustehen, die ihm ausdrücklich von den Einzelstaaten übertragen sind; val.
Laband IV S.5ö4, v. Seydel S. 310 ff., dagegen Arndt S. 446 ff.
II. Die Bereinigung der deutschen Armeekontingente
zu einem einheitlichen Heere.
Das Wort Kontingent bezeichnet jetzt nicht mehr dasselbe wie im alten
Deutschen Bunde und in dem vormaligen Deutschen Reich. Damals nannte
man „Kontingent“ den zahlenmäßig nach einheitlichen Gesichtspunkten be-