Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

66 II. Reichsgesetzgebung. Art. 3. 
3. Das Ergebnis. 
Das Ergebnis in der Frage des richterlichen Prüfungsrechts ist dahin 
festzustellen, daß soweit die Tragweite des Art. 2 Satz 2 reicht, das 
Prüfungsrecht für Gerichts= wie Verwaltungsbehörden ausgeschlossen ist. 
In der Verkündigung eines Reichsgesetzes liegt nach Art. 2, 17 die unter 
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers abgegebene Garantie des Kaisers, daß 
das Reichsgesetz im Rahmen der Kompetenz des Reichs — eventuell im 
Wege der Kompetenzerweiterung — erlassen ist und daß bei der Beratung 
und Beschlußfassung die vorgeschriebenen Formen gewahrt find, soweit diese 
Formen durch die Reichsverfassung geregelt find; dagegen ist die Beobachtung 
der Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundesrats und Reichstags eine 
innere Angelegenheit der beiden Körperschaften. Dies gilt für die Reichs- 
gesetze. Was die Reichsverordnungen anbetrifft, so sind mangels einer 
entgegenstehenden Vorschrift der Reichsverfassung die Behörden berechtigt 
wie verpflichtet, die Rechtsgültigkeit der Verordnungen zu prüfen, und zwar 
die Frage, ob die betreffende Materie überhaupt im Verordnungswege und 
nicht im Wege der Gesetzgebung zu regeln ist, ferner die Frage, ob das die 
Verordnung erlassende Reichsorgan hierzu die Machtvollkommenheit besitzt 
und schließlich ob die Verordnung gehörig verkündet ist. Endlich ist von 
den Behörden in allen zweifelhaften Fällen zu prüfen, ob das an und für 
sich gültige Landesrecht, mag es sich um ein Gesetz oder um eine Ver- 
ordnung oder um einen Staatsvertrag handeln, durch das Reichsrecht 
aufgehoben ist. Da es an einer Vorschrift der Reichsverfassung oder der 
Landesverfassungen fehlt, welche bestimmt, daß die durch Art. 2 R.V. 
erledigten landesrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich aufgehoben werden, 
ergibt sich die Notwendigkeit einer dahingehenden Prüfung aus Art. 2 un- 
mittelbar. Dieses Ergebnis stimmt mit der Praxis des Reichsgerichts 
überein, soweit das Reichsgericht überhaupt Stellung zu der Frage ge- 
nommen hat. 
Artikel 3. 
Für ganz Oeutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der 
Wirkung, daß der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundes- 
staates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und 
demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Amtern, 
zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes 
und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Vor- 
aussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechts- 
verfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist. 
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die 
Obrigkeit seiner Heimat oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundes- 
staates beschränkt werden. 
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Auf- 
nahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im 
ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
	        
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