96 Römische Verfassung.
nicht eine rein feudale, sondern es ist beides zusammen.
Die Patrizier sind ursprünglich nichts absolut Geschlossenes;
wir finden jüngere und ältere Geschlechter. Später galt
es für eine Unmöglichkeit, daß ein Plebejer Patrizier werden
könne. Die deutsche Geschichte kennt denselben Vorgang.
Im alten Reich war es möglich, durch Standeserhöhung
in den fürstlichen Hochadel einzutreten. Heute ist das nicht
mehr möglich. Der Kaiser hat nicht die Befugnis, das
Recht der Ebenbürtigkeit zu verleihen; der Kreis der eben-
bürtigen Familien hat sich geschlossen. Auch in Rom wurden
die Zwischenheiraten zwischen Plebejern und Patriziern ver-
boten. Die Patrizier bildeten einen Stand höherer Art,
der von den Göttern abstammte, allein die wahren Kult-
handlungen vollziehen konnte, die richtigen Augurien beob-
achten, und natürlich dadurch auch von Gottes Gnaden
berufen war, die Masse zu regieren. Militärische, wirt-
schaftliche, schließlich auch religiöse Momente wirken zu-
sammen, daß aus der ursprünglich gleichen Rasse, dem
gleichen Stamme, sich eine solche Oberschicht als regierende
herausgebildet hat, und ich zweifle nicht, daß das Eupatriden-
tum in Athen ganz dasselbe gewesen ist, wie das Patrizier-
tum in Rom. Warum ist es in Athen zugrunde ge-
gangen? Wir haben da die extreme Demokratie gefunden.
Warum hat die Aristokratie sich in Rom allezeit gehalten?
Ich habe darüber eine Vermutung, die aber viel Wahr-
scheinlichkeit für sich hat. Rom ist noch viel kriegerischer,
als irgend ein griechischer Kanton, vielleicht ausgenommen
Sparta. Sparta aber ist keine Handelsstadt, hat keine
wirtschaftlichen Kräfte. Rom war eine Stadt mit einer
Bauernschaft latinischen Blutes, die in der unmittelbaren
Nachbarschaft einer fremden Rasse, der Etrusker saß und
unausgesetzte Kriege auch mit den anderen stammverwandten