Full text: Regierung und Volkswille.

180 Die Parteien in Osterreich. 
Es kann also nicht anders sein, als daß jede Partei- 
regierung die Gefahr mit sich bringt, daß der Staat nicht 
ganz nach seinem eigenen inneren Bedürfnis, sondern nach 
einem in tiefstem Grunde abweichenden regiert wird, und 
der Wechsel in dieser Abweichung, indem er diesen Fehler 
korrigiert, erzeugt doch gleichzeitig einen anderen und bringt 
dazu noch die Unsicherheit, die eben im Wechsel selber liegt. 
Die höchste Potenz dieses Zwiespalts zwischen der Partei- 
idee und der Staatsidee sehen Sie jetzt in Österreich. Hier 
sind die Parteien selbst wesentlich nach Nationalitäten orientiert 
und die Folge ist, daß sie, ihre Idee über die Staatsidee 
stellend, die Staatsmaschine selbst zum Stillstand gebracht 
haben. Hier hat das System der parlamentarischen Partei- 
regierung in völligem Bankerott geendet und nur der Ab- 
solutismus, die monarchische Beamtenregierung kann den 
Staat retten. 
Man lasse sich nicht durch den Ausdruck täuschen, daß 
die Regierungen in England, Frankreich und Amerika 
wechselten je nach der Entscheidung des Volkes. Selbst 
wenn bei Neuwahlen eine andere Majorität in der 
Kammer erscheint, so ist es nicht das Volk, das anders 
gewählt hat, sondern ein kleiner Bruchteil, der von einer Seite 
zur anderen übergegangen ist, und oft gewiß gar nicht einmal 
ein besonders wertvoller Bestandteil des Volkes. 
Die Parteien selber sind nichts Konstantes, so daß es 
etwa zu allen Zeiten und bei allen Völkern eine liberale 
und eine konservative Partei gegeben hätte oder geben müßte. 
Nur das äußerlich Formale, daß z. B. eine Partei erhalten, 
die andere etwas ändern will, wiederholt sich naturgemäß 
immer wieder. Es hat aber auch stockkonservativ demokratische 
Parteien gegeben, und die Jakobiner sind in erster Linie 
nicht sowohl die Partei des städtischen Proletariats, als die
	        
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