Full text: Regierung und Volkswille.

14 Die englische Volksvertretung. 
nach wie vor von der Notwendigkeit der Parlamentsreform 
in seinem Heimatlande durchdrungen sei, daß er es aber 
nicht an der Zeit halte, so gewagte Experimente vorzunehmen 
angesichts der Bewegung in Frankreich. Auch in England 
war in den Massen eine ungeheure Gärung. Die Fran- 
zosen sandten Geld und Agenten herüber und rechneten 
bereits mit Sicherheit darauf, daß es ihnen gelingen werde, 
in England ganz wie in Frankreich eine Volkserhebung 
hervorzurufen. Allenthalben wollten sie ja die Völker auf- 
rufen zur Freiheit und zum Kampf gegen die Tyrannei. 
Eine Revolution in England hätte ihnen in dem aus- 
gebrochenen Kriege den Sieg gegeben. Die Engländer aber 
hielten die revolutionären Zuckungen mit Gewalt nieder, 
und als im Jahre 1809 der Abgeordnete Burdett es wagte, 
im Unterhause einen Antrag auf Parlamentsreform zu stellen, 
erzielte er dafür nicht mehr als 15 Stimmen. 
Noch lange nach dem Friedensschluß hielt diese durch 
den Krieg gegen die Franzosen erzeugte Stimmung an, und 
erst im Jahre 1832 kam eine Parlamentsreform zustande, 
die den Charakter des Unterhauses so gründlich veränderte, 
daß wir von neuem die Frage aufwerfen müssen, ob Eng- 
land wenigstens von diesem Jahr an eine Volksvertretung 
hatte, von der man annehmen kann, daß sie wirklich einen 
Volkswillen repräsentiere. Die Reform war eine doppelte. 
56 rotten boroughs mit 111 Mitgliedern wurde das Wahl- 
recht entzogen; 30 wurden von zwei auf einen Abgeordneten 
herabgesetzt. Die so gewonnenen Stimmen wurden auf die 
in den letzten Jahrhunderten emporgekommenen großen 
Industrie- und Handelsstädte verteilt. Das früher ge- 
wohnheitsrechtlich so verschieden gestaltete Wahlrecht wurde 
jetzt auf Grund eines Zensus durch das ganze Land gleich- 
mäßig normiert. Das Wahlrecht wurde gegeben allen den-
	        
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