Full text: Regierung und Volkswille.

Vei der Sozial= 
gesetzgebung. 
34 Flotte und Arbeiter. 
versammlungsaktion. Die Sozialdemokraten nahmen es an, 
daß in einer Reihe von Versammlungen über die Flotte 
diskutiert werden solle. Ich selber habe in einer großen 
Versammlung gegen Herrn Paul Singer gefochten und 
kann nur sagen, er benahm sich durchaus höflich und loyal 
und erkannte mit besonderer Betonung immer wieder an, 
daß auf unserer Seite eine ehrliche patriotische Überzeugung 
obwalte. Weniger manierlich benahm sich die Versammlung 
selber, die doch wohl nicht von der Vorstellung loskonnte, 
in mir einen Vertreter des ausbeutenden Kapitalismus vor 
sich zu haben. In anderen Versammlungen disputierten 
andere, namentlich unser stets tapferer Adolf Wagner gegen 
Bebel; die einen brachten mehr das Argument mit der 
Schaffung der Arbeitsgelegenheit in den Vordergrund, — 
ein Argument übrigens, dessen Beweiskraft ich mir selber 
nicht so ganz aneignen möchte —, die anderen mehr das 
Argument der Erbschaftssteuer. Einer aber berichtete, damit 
sei er vollkommen abgefallen; denn sein sozialdemokratischer 
Gegner habe ihm das Wort zugeschleudert: „Was hilft uns 
denn die Erbschaftssteuer? Wir haben ja nichts zu vererben!“ 
— Gegen solche Logik war nicht aufzukommen. Die Be- 
wegung blieb erfolglos, und das deutsche Volk ist zu seiner 
Flotte gekommen, nicht vermöge des Volkswillens, sondern 
auf dem Wege der parlamentarischen Taktik, der es gelang, 
die konservativen Stimmen zu gewinnen. 
Noch frappanter ist dieselbe Erscheinung auf dem Gebiet 
der sozialpolitischen Gesetzgebung. Hier hatte Fürst Bismarck 
hauptsächlich zu kämpfen gegen die Vorstellung, daß die 
soziale Fürsorge des Staates schwächend und lähmend auf 
die Charakterkraft des einzelnen wirke. Wenn man es 
dem einzelnen Arbeiter überlasse, für sich selber zu sorgen 
und sich zu diesem Zweck mit seinen Genossen zusammen-
	        
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