Full text: Regierung und Volkswille.

Indirekte 
Wahlen. 
38 Gründe gegen das Referendum. 
Gegenteil, es sei undemokratisch. Denn der einzelne Bürger 
sei schlechterdings außerstande, große Gesetze von vielleicht 
vielen hundert Paragraphen, die ihm vorgelegt würden, auch 
wirklich zu studieren und zu verstehen. Er sei ganz und gar 
angewiesen auf das, was ihm die Führer oder etwaige 
Demagogen darüber sagten. Mister Smith und Mister 
Jones würde man immer soviel politische Einsicht zutrauen, 
um sich nach ihren Wünschen und Bestrebungen eine Partei 
auszusuchen und einen oder zwei Abgeordnete zu wählen. 
Aber die Einzelheiten der Gesetzgebung an sie zu bringen, 
sei nicht Durchführung der Volksregierung, sondern ihre 
Aufhebung. 
Man wird allen diesen Gründen eine gewisse sachliche 
Berechtigung nicht absprechen können. Bei dem letzten freilich 
leuchtet ein, daß er bedenklich viel mehr beweist, als er be- 
weisen will. Wenn Mister Smith und Mister Joncs bei 
der Wertung eines besonderen Gesetzes so ganz und gar in 
Abhängigkeit von Führern und Demagogen geraten, sollte 
diese Abhängigkeit nicht auch einigermaßen sich geltend 
machen, wenn sie ihre Partei wählen und ihre Abgeord- 
neten küren? 
Aber wie dem auch sei, die Vorstellung, daß der Bürger 
wohl imstande sei, Vertrauensmänner zu wählen, aber nicht 
unmittelbar selber Gesetze zu geben, ist nicht erst hier auf- 
getaucht, sondern schon, seitdem das Repräsentativsystem 
überhaupt aufgekommen ist. An vielen Stellen, in Amerika 
wie in Preußen hat man eben aus diesem Grunde das 
System der indirekten Wahl angenommen, das schon bei 
der Wahl zur französischen Nationalversammlung (1789) 
angewandt worden ist. Dem Wähler wird nicht zugetraut, 
daß er selber einen Abgeordneten aussuchen könne, sondern 
er soll einen Mann aus seiner wirklichen Bekanntschaft, aus
	        
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