Full text: Regierung und Volkswille.

Müngel der 
Volks- 
regierungen. 
Korruption in 
Amerika. 
40 Stärke oder Schwäche der Volksregierungen. 
Fall ist die enge Beziehung des Staates zum Willen der 
einzelnen Staatsbürger von solchem Wert und solcher Be- 
deutung, daß, wie schon die antiken Republiken darauf auf- 
gebaut waren, so auch im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr 
und mehr Staaten zu einer Verfassung mit gewählten Volks- 
vertretungen übergegangen sind und, wo solche schon existierten, 
das Stimmrecht erweitert worden ist. 
Sehr zufrieden ist man nun aber, wie wir gesehen haben, 
mit den Ergebnissen doch nicht. Schon das alte Athen ist nach 
kurzer Blüte an der Unmöglichkeit, mit einer regierenden Volks- 
menge Großmachtpolitik zu treiben, zugrunde gegangen. Die 
modernen Demokratien haben im 15. Jahrhundert sehr schwere 
Proben entweder noch nicht zu bestehen gehabt oder sich ihnen 
nur mangelhaft gewachsen gezeigt. Die großen Kämpfe gegen 
Frankreich hat das alte aristokratische England geführt und 
die amerikanische Republik hat einen furchtbaren fünfjährigen 
Bürgerkrieg nicht zu vermeiden vermocht, im besonderen aber 
klagt man in fast allen diesen Staaten, besonders in Amerika, 
Frankreich und Italien über die den Wahlregierungen imma- 
nente Korruption. 
Am allerlautesten sind die Klagen darüber heute in 
Amerika. Der neue Präsident, Wilson, sprach in seiner 
Inaugurationsrede von dem „vielfachen Mißbrauch der 
Regierung, die zu einem Werkzeug des Bösen gemacht 
wurde“. In einer amerikanischen Enzyklopädie*) (erschienen 
1908) ist die Korruption als soziales Phänomen in einem 
besonderen Artikel behandelt. Es existieren dafür besondere 
Organisationen, deren Haupt der „Boß“ genannt wird, der 
die Wahlen macht und die Amter vergibt. In den in- 
dustriellen Staaten werden etwa 25% der Stimmen gekauft; 
*) The new Encyclopedia of Social Reform. Bliss, New York.
	        
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