52 Preußen nach 1815.
Vinke in Westfalen. Man darf annehmen, daß eine Re-
gierung mit solchen Spitzen auch in den unteren Instanzen
für tüchtige Persönlichkeiten gesorgt hat, und wirklich hat sie
auch Ungeheures geleistet. Unter den mannigfachen Ver-
diensten Treitschkes werden auf die Dauer vielleicht seine
Forschungen und Feststellungen über die Verdienste der
zweiten Friedensperiode Friedrich Wilhelms III. von 1815—1840
den ersten Rang behaupten. Preußen war durch die Pariser
Friedensschlüsse und den Wiener Kongreß auf das Doppelte
seines Umfanges von 1813 vergrößert worden. Stücke von
nicht weniger als neun verschiedenen Staatsgebieten waren den
alten Provinzen zugeschlagen worden: Die Republik Danzig,
ein Stück des Großherzogtums Warschau, die Hälfte von
Sachsen, Schwedisch-Pommern, das Großherzogtum Berg,
geistliche Fürstentümer, die zum Königreich Westfalen gehört
hatten, das linke Rheinufer, das zu Frankreich gehört hatte:
Alle kamen sie gezwungen, gegen ihren Wunsch und Willen
zu Preußen. Im Laufe einer Generation ist aus dieser so
buntscheckig und zufällig zusammengesetzten Masse durch
Armee und Beamtentum eine Staatsgesinnung herangezogen
worden, die imstande war, die Stürme des Revolutions-
jahres von 1848 zu überstehen und nachher die Schlacht
bei Königgrätz zu gewinnen.
Wir suchten nach dem Idealstaat, der Regierung der
Weisen, der Philosophen, wie sie Plato entworfen hat, und
plötzlich waren wir mitten in Preußen. Habe ich Ihnen
etwa ein Taschenspielerkunststückchen vorgemacht? Preußen
nach 1815, das Preußen Friedrich Wilhelms III., das bei
Mit- und Nachwelt so wenig Ansehen genossen hat, das
soll der Staat der reinen Intelligenz, der Idealstaat ge-
wesen sein? Es hat freilich schon damals Leute gegeben,
die es so auffassen wollten, aber ich will mich nicht länger