Full text: Regierung und Volkswille.

Preußen als Partikularstaat. 53 
dem Verdacht einer Paradoxie aussetzen und gleich feststellen, 
daß es nicht richtig ist. 
Der damalige Staat Preußen entsprach wirklich den 
Prinzipien des Platonischen Ideal- Staates und war es 
doch nicht. 
Warum nicht? Der Staat Preußen war damals in 
einem Widerspruch mit sich selbst. Er war angelegt darauf, 
der deutsche Staat zu sein und war doch ein bloßer Par- 
tikularstaat, dazu ein Partikularstaat, dem die Hälfte der 
Staatsbürger gegen ihren Willen mit Gewalt zugefügt war. 
Unmöglich konnte die Staatsidee von allen diesen neuen 
Bürgern, den Mußpreußen, schon begriffen werden. Aber 
auch die Altpreußen befriedigte sie nur zum Teil. Denn 
die Idee, die man angerufen hatte zur Durchführung des 
großen Kampfes, aus dem dieser Staat hervorgegangen 
war, das war ja die nationale Idee, und die nationale Idee 
gefiel diesem preußischen Staat nicht nur nicht, sondern er 
bekämpfte sie jetzt sogar. Das Deutschtum, die Anrufung 
der Idee des deutschen Einheitsstaates, galt für ein gesetz- 
widriges Vergehen. Damit war es von vornherein un- 
möglich, daß in diesem Staat — die Regierung mochte so 
gut oder so schlecht sein, wie sie wollte — irgendeine Be- 
friedigung herrschte. Warum bekämpfte denn der preußische 
Staat damals die deutsche Idee, die doch seine eigene 
Zukunft bedeutete? Nun, aus dem einfachen Grunde, weil 
er sie nicht erfüllen konnte. Solange Preußen die Zeit 
nicht reif fand, den deutschen Staat selber zu schaffen, 
mußte es ihn bekämpfen, und konnte auch all die wahr- 
haften Patrioten — Ernst Moritz Arndt an der Spitze — 
nicht als seine unbedingten Freunde ansehen, weil sie die 
Gefahr heraufbeschworen, Preußen in einen Konflikt hinein- 
zureißen, den es sich damals noch nicht fähig fühlte, zu 
Das Manko 
Preußens in der 
Epoche 
1815—1848.
	        
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