Die preußische Verfassung. 57
Staates war: daß er durch die sich selbst ergänzende,
organisierte politische Intelligenz regiert wurde.
Aber in dem Staat Friedrich Wilhelms III. fehlt nun
doch noch etwas, was wiederum das Urteil der Mit- und Fehlen einer
Nachwelt sehr ungünstig beeinflußt hat und beeinflussen Volksvertretung im alten
mußte. Bei der Neubildung des Staates lebte von An- Preußen.
fang an, bei Stein, Hardenberg und allen ihren Mit-
arbeitern die Idee, daß das absolute Königtum an seiner
Seite eine Volksvertretung haben müsse. Das eigentliche
Dokument, welches den Ausdruck und den Rechtstitel für diese
Volksvertretung in der Historie bildet, ist der „Aufruf an
mein Volk“, obgleich darin von einer Volksvertretung nicht
die Rede ist. Friedrich der Große hätte niemals einen
solchen Aufruf erlassen können und hat niemals daran ge-
dacht, auch nicht in allen Nöten des siebenjährigen Krieges.
Von einer solchen Beziehung des Staates zur Gesamtheit
der Staatsbürger wußte er noch nichts. Diese ist erst er-
wachsen aus dem Staat, der durch seine eigenen Taten und
ihren Ruhm mit einem ganz anderen Bewußtsein erfüllt
wurde, als es überkommen war. Der Staat hat 1813
nicht anders gerettet werden können, als indem der König
appellierte an den guten Willen jedes einzelnen Mannes.
Dadurch hat er den Krieg gewonnen. Aber indem er
diesen Appell aussprach, also jene Verbindung schuf zwischen
dem Staat und den Staatsbürgern, die seine Vorgänger
noch nicht gekannt hatten, lag darin auch, daß der Staat,
der die gesamte Staatsbürgerschaft aufrief, sich mit dem
Speer in der Hand in seinen Dienst zu stellen, dann auch
in Übereinstimmung mit ihr sich befinden mußte, daß
der Wille des Königs, wenn auch noch so objektiv geltend
gemacht, zur Lenkung des Landes nicht genüge, sondern daß
in irgendeiner Form eine Volksvertretung neben das König-