Geschichtliche
Analogien.
Die Verfassung
des alten Athen.
88 Staffheit und Lockerheit des Staats- Organismus.
straffen Aufbau unseres ganzen Staatswesens, von der all-
gemeinen Wehrpflicht und allgemeinen Schulpflicht an,
während drüben alles viel lässiger, breiter ist. Nicht bloß
in England, auch in anderen Staaten kommt derselbe Unter-
schied in Betracht. Dieses Verhältnis wird es hauptsächlich
sein, was die Vorstellung erweckt, daß das Regiment über-
haupt dort populärer sei. Wenn wir uns aber in die
Wirksamkeit der Arbeitsmaschine der Gesetzgebung versetzen,
dann sehen wir, wie außerordentlich bedeutend, weil auf
die Einzelheiten wirkend, gerade bei uns die gewählten
Volksvertreter tatsächlich sind.
Die Frage, die ich hier aufgestellt habe, lautet wohl-
gemerkt nicht: „Wo ist ein besseres Regierungssystem?,
sondern sie lautet: „Wo hat das Volk eine stärkere Ein-
wirkung auf die Regierung?“ Die Fragen sind nicht iden-
tisch, was natürlich nicht ausschließt, daß ich später auch
noch zu entwickeln suche, welche Vorzüge das eine System
und welche das andere hat.
Ehe wir aber dazu schreiten, lade ich Sie ein zu einem
Spaziergang durch die Weltgeschichte. Ich werde Ihnen
eine Reihe von Abschnitten vorführen, in denen die jetzt
gewonnenen Begriffe vom Wesen der Repräsentation, der
Wahl, der Majorität im Verhältnis zur Regierung, in
früheren Epochen schon bemerkbar wurden. Wir wollen
unsere Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen suchen, weil
das uns helfen wird, zuletzt ein Schluß- und Endurteil
zu fällen. Ich will gleich hinübergehen bis in die aller-
älteste Zeit, bis in das klassische Athen.
Das klassische Athen erhielt seine Verfassung, wie Sie
sich erinnern wollen, nach der Vertreibung des Tyrannen
Hippias, nur 20 Jahre vor der Schlacht bei Marathon.
Nach einigem Schwanken wurde eine rein demokratische