Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

544 Viertes Buch. Dritter Abschnitt. $& 191. 
gesetzte allein die Verantwortung. Dies gilt namentlich auch von 
Handlungen, durch die ein Strafgesetz verletzt wird. Nur dann, 
wenn dem Untergebenen bekannt war, daß die von dem Vorgesetzten 
befohlene Handlung den Charakter eines bürgerlichen oder mili- 
tärischen Verbrechens oder Vergehens an sich trug, wird er als 
Teilnehmer bestraft'®”. In diesem Falle braucht er also nicht nur 
nicht, sondern darf sogar nicht einmal dem Befehle Folge leisten. 
Die Verletzung der Gehorsamspflicht ist mit Strafe bedroht ®®. 
Der Gehorsam kann außerdem von dem militärischen Vorgesetzten 
erzwungen werden, nötigenfalls sogar mit Waffengewalt ?!, 
Die Pflicht zur Erfüllung der Dienstobliegenheiten schließt natür- 
lich auch die Pflicht ein, bei der Truppe oder am Orte der Dienst- 
stellung anwesend zu sein. Eine Entfernung ist nur auf Grund 
eines vom Vorgesetzten erhaltenen Urlaubes zulässig. Ein solcher 
Urlaub muß auch für die Teilnahme an den Sitzungen des Reichs- 
tages®?? oder eines Landtages ?® für notwendig erachtet werden. Die 
Entfernung ohne Urlaub ist mit Strafe bedroht, die sich entsprechend 
steigert, wenn diese Entfernung den Charakter der Fahnenflucht hat *. 
Auch außerhalb des Dienstes sind den Personen des 
Soldatenstandes Pflichten auferlegt. Sie haben namentlich ein 
achtungswürdiges Verhalten zu beobachten. Diese Pflicht 
besteht für alle Personen des Soldatenstandes, aber sie kommt bei 
den verschiedenen Klassen in sehr verschiedenem Umfange zur 
Geltung. Während sie bei Unteroffizieren und Glemeinen im wesent- 
lichen nur die Verpflichtung enthält, grobe Verstöße gegen Zucht 
und Ordnung zu vermeiden, ist sie bei den Offizieren nicht nur 
in viel weitgehenderer Weise als bei jenen, sondern auch in viel 
weitgehenderer Weise als bei Beamten ausgebildet. Für die Offiziere 
bestehen besondere Einrichtungen mit dem Zwecke, dafür zu sorgen, 
daß jeder Angehörige des ÖOffizierstandes den Grundsätzen gemäß 
verfährt, die innerhalb desselben als Ausdruck der Standesehre 
gelten 26 ®7, 
1? M.Str.G.B. $ 47. 
2° M.Str.G.B. 5$ 89 ff. 
21 M.Str.G.B. $ 124. 
22 Die R.Verf. Art. 21 erklärt den Urlaub nur bei Beamten nicht für not- 
wendig; nach dem reichsgesetzlichen Sprachgebrauche werden aber Personen 
des Soldatenstandes nicht zu den Beamten gerechnet. Es besteht auch keine 
Veranlassung, in dieser Beziehung zwischen Offizieren und Angehörigen der 
Unterklassen zu unterscheiden. A. A.: Laband 4, 188°; Zorn 1, 2892. _ 
#2 Dies ist deshalb anzunehmen, weil die Reichsgesetzgebung über diese 
Frage keine Bestimmungen getroffen hat, die etwaigen Vorschriften der Landes- 
gesetze aber auf Offiziere deshalb keine Anwendung finden, weil der Landes- 
esetzgebung überhaupt die Befugnis nicht zusteht, über die Dienstverhältniss® 
erselben Bestimmungen zu treffen. Vgl Meyer-Anschütz $ 9. 
2 M.Str.G.B. $$ 64 ff. 
5 Diszipl.O. $ 1. 
»* Vgl. unten $ 19. , 
?' Neben den hier erwähnten Pflichten noch eine besondere Treupflicht 
(Laband 1. 129; 4, 150) zu konstruieren, ist für Personen des Soldatenstandes 
ebensowenig wie für Beamte und Untertanen überhaupt eine Notwendigkeit- 
Vgl. Meyer-Anschütz $ 146! und $ 2241; Otto Mayer 1, 108.
	        
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