Zweites Buch.
Verwaltung der inneren Angelegenheiten".
Einleitung.
1. Begriff der inneren Verwaltung.
8 19.
Verwaltung der inneren Angelegenheiten? heißt die
auf die Förderung der Volksinteressen gerichtete staatliche Ver-
waltungstätigkeit.
Die innere Verwaltung ist ein Erzeugnis höherer Kulturent-
wickelung. Der mittelalterliche Staat besitzt kein entwickeltes System
der inneren Verwaltung. Seine Tätigkeit beschränkt sich auf die
Ausübung einzelner sicherheitspolizeilicher Funktionen, die Sorge für
Maß, Gewicht, Münze und wenige andere Angelegenheiten. Die
ı Die Lehre von der inneren Verwaltung wurde in älterer Zeit in den
Werken über Polizeiwissenschaft behandelt. Justi, Grundsätze der Polizei-
wissenschaft. 3. Aufl. 1782; die Grundfeste der Macht und Glückseligkeit der
Staaten oder ausführliche Darstellung der gesamten Polizeiwissenschaft. de.
1760, Sonnenfels, Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanzwissenschaft.
3 Bde. 7. Aufl. 1804; v. Berg, Handbuch des teutschen Polizeirechtes. 7 Bde.
2. Aufl. 1802-9; v. Mohl, Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des
Rechtsstaates. 3 Bde. 3. Aufl. 1866. — Von den neueren Werken über Ver-
waltungslehre und Verwaltungsrecht behandeln viele ebenfalls nur die innere
Verwaltung, so namentlich v. Stein, Verwaltungslehre und Handbuch der Ver-
waltungslehre. Roesler, Deutsches Verwaltungsrecht, Loening_ und
v.Stengel. Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes. — [Über das Gebiet
der inneren Verwaltung vgl. Thoma, Polizeibefehl in Baden 1, 21.
® An die Stelle des Begrifts der inneren Verwaltung will Roesler,
Deutsches Verwaltungsrecht, $1,S. 1 f., den der sozialen Verwaltung setzen.
Soziales Verwaltungsrecht ist nach ihm die rechtliche Ordnung der menschlichen
Kulturverhältnisse und der auf Kulturentwickelung gerichteten Tätigkeit inner-
halb der Gesellschaft. Dieser Begriff ist jedoch aus einem zweifacken Grunde
unbrauchbar. Einmal deshalb, weil er von der Auffassung der Verwaltung als
einer gesellschaftlichen Tätigkeit ausgeht, während sie sich in der Tat als eine
staatliche Funktion darstellt. Sodann deshalb, weil dadurch der Bereich des
Verwaltungsrechtes 80 weit ausgedehnt wird, daß in denselben nicht bloß das
ganze Kirchenrecht, sondern auch der größte Teil des Privatrechts hineingezogen
werden müßte. Vgl. dagegen auch v. Stengel, Begriff, Umfang und System
des Verwaltungsrechtes. Tübg. Zeitschr. 88, 232; Rosin, Annalen 1883 $. 310.
[Thoma, Polizeibefehl 1. 29 £.]