$ 7. Die Selbstverwaltungskörper. 111
Kompetenz, einem solchen Selbstverwaltungskörper überdies
staatliche Verwaltungsgeschäfte zu übertragen. Dann handelt
der Selbstverwaltungskörper im Auftrag und Interesse des
Staates. Man spricht in solchen Fällen von einem übertragenen
Wirkungskreis. Eine derartige Delegation bedarf stets der
gesetzlichen Grundlage. Andrerseits erlangt dadurch der Selbst-
verwaltungsverband ein Recht auf diese Vertretung. Die über-
tragenen Kompetenzen sind ihm nicht bloß precario verliehen.
Der Verband ist verpflichtet, die ihm zugewiesenen Geschäfte
durch seine Beamten besorgen zu lassen und den Aufwand aus
eigenen Mitteln zu bestreiten.” In dieser Weise kann den
Gemeinden die Wahrnehmung von standesamtlichen, von rich-
terlichen und polizeilichen Funktionen übertragen sein.”® Die
Grenze zwischen dem eigenen und dem übertragenen Wirkungs-
kreis ist unsicher und für jeden Staat an Hand der historischen
Entwicklung besonders zu bestimmen. Die Ortspolizei gehört in
Württemberg und einigen kleineren Staaten (Braunschweig,
Sachsen-Weimar, Sachsen-Koburg-Gotha, Schwarzburg-Sonders-
hausen) und ferner in Österreich zum eigenen Wirkungskreis der
Gemeinden.?° In Preußen, Bayern, Sachsen, Baden usw. übt da-
gegen die Gemeinde die Ortspolizei in staatlichem Auftrag aus.’
2” Thoma, Polizeibefehl im Bad. Rechte I S. 154ff.
28 Nach dem Reichs-Personenstandsgesetz v. 6. Februar 1875, $$ 4ff.
haben in den Standesamtsbezirken, die den Bezirk einer Gemeinde nicht
überschreiten, Gemeindeorgane die standesamtlichen Geschäfte zu be-
sorgen. — Ein interessantes Beispiel enthält ferner das badische Ausfüh-
rTungsgesetz zur Reichsgrundbuchordnung, 1899, $3: ‚In Gemeinden
von mehr als 10 000 Einwohnern kann durch Gemeindebeschluß mit
Genehmigung der Ministerien der Justiz und des Innern das Grundbuchamt
als Gemeindeamterrichtet werden.‘‘ — Vgl. ferner den Vorbehalt zu Gunsten
der Gemeindegerichtsbarkeit im GVG. $14, Ziff. 3. A. Hegler, Das
Gemeindegerichtsverfahren in Baden und Württemberg, 1910 u. WB d.
VerwR2 II 156.
?® Jellinek, System d. aubjekt. öffentl. Rechte, $. 276. Vgl.z.B. für
Württemberg: Württbg. Gemeindeordnung v. 1906, Art. 194. Göz,
Württembg. Staatsrecht, $. 311.
®0 Jellinek, System, 8.876. Jolly, Art. „Gemeindeverwaltung‘“ in
Stengels Wörterbuch des Deutschen Verwaltungsrechts I 546. Preußen:
Rönne. Zorn, Preuß. Staatsrecht II S. 645. Preuß, Städt. Amtsrecht
in Preußen, S. 21löff. Bayern: v. Seydel, Bayer. Staatsrecht II S. 19ff.
Die bayrische Gemeindeordnung für die Landesteile diesseits des Rheins,