$ 8. Die ‚„gesetzmäßige Verwaltung‘. 127
Umgehung dieses Grundsatzes läuft es hinaus, wenn die ver-
pflichtete Behörde sich auf den Erlaß einer Verordnung beschränkt,
in der vorgeschrieben wird, was zu gelten habe, werde in jedem
Fall durch Einzelverfügung bestimmt werden.'* Aus diesem
Grund hat die bayrische Polizeigesetzgebung im allgemeinen den
vollziehenden Polizeiorganen nur die Ermächtigung zu All-
gemeinbefehlen erteilt in dem Sinne, daß die Behörden durch
eine allgemeingültige Verordnung feststellen müssen, was die
Bürger zu tun und zu lassen haben, während in Preußen und
Baden den Polizeibehörden eine Generalermächtigung zu polizei-
lichen Einzelbefehlen zur Verfügung gestellt ist.” Vgl. darüber
unten $ 23.
2. Das Gesetz, und was ihm gleichsteht (Verordnung, auto-
nome Satzung usf.), bindet Behörden und Bürger in derselben
Weise. Es darf in keinem Punkte unvollzogen bleiben. Die
Behörde kann daher ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächti-
gung dem einzelnen Privaten rechtsgültig weder ‚„Vorrechte“
zugestehen, die sein rechtliches Können oder Dürfen über das
mit der Begründung angefochten werden, in casu sei die Anwendung der
Verordnung ungerechtfertigt, weil die Absicht der Verordnung in dem
vorliegenden Falle auf anderm Wege verwirklicht werden könne. Preuß.
OVG. 8. Okt. 1910 (Preuß. Verw. Bl. XX XII 634).
14 Die Gemeinde Schöneberg hat i. J. 1909 eine Gemeindesteuer-
ordnung erlassen, worin die Bestimmung des Abstufungsverhältnisses,
nach dem die einzelnen Grundstücksarten zur Grundsteuer herangezogen
werden, jährlichen Gemeindebeschlüssen vorbehalten wird. Das Preuß.
OVG. hat am 18. Juni 1912 die Steuerordnung für ungültig erklärt,
weil die Festsetzung des Abstufungsverhältnisses nur in festen allge-
meinen Normen geregelt werden dürfe (Entscheidungen Bd. 62, S. 311). —
Das StGB. $ 366, Ziff. 10 bedroht die Person mit Strafe, welche ‚die zur
Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen
Polizeiverordnungen übertritt.‘“ Die K. Polizeidirektion München hat,
gestützt auf die Delegation des bayrischen Polizeistrafgesetzbuchs Art. 2,
Ziff. 6, eine ortepolizeiliche Verordnung erlassen, die sich auf die An-
ordnung beschränkt, jedermann sei verpflichtet, den zur Vermeidung von
Verkehrsstörungen im einzelnen Falle getroffenen polizeilichen Anordnungen
Folge zu leisten. Die Gerichte haben diese Bestimmung für gültig an-
gesehen, in Mißachtung des im Texte entwickelten Rechtsgrundsatzes.
Reger XVIII 92 und die dort zit. Urteile.
15 Thoma, Polizeibefehl im Badischen Recht I S. 252—253.