74 x 5. Quellen des Verwaltungsrechts.
gültigen Verordnung jede Bestimmung, die über den vom
Gesetze erteilten Auftrag hinausgeht oder einer gesetzlichen Vor-
schrift zuwiderläuft.* Was dem Gesetze widerspricht, das ist
weder für den Richter, noch für die Verwaltungsbehörde, noch für
den Bürger rechtsbeständig. Dem Richter — dem ordentlichen,
wie dem Verwaltungsrichter — und dem Verwaltungsbeamten
steht deshalb gegenüber jeder Verordnung ein Prüfungsrecht
des Deutschen Verwaltungsrechts?, S. 272. Das Reichsgericht hält die
Verordnung für rechtsgültig. Reichsgericht in Zivilsachen, Bd. 74, S. 133.
16 Beispiele: a) In verschiedenen deutschen Staaten haben sich die
Gerichte mit der Frage zu beschäftigen gehabt, ob in der Ermächtigung
zur Aufstellung von Vorschriften über die Erhaltung der öffentlichen
Ordnung die Befugnis enthalten sei zu einem generellen Verbot gegen
das Streikpostenstehen, und ob ein solches Verbot nicht dem $ 152 der
Gewerbeordnung (Koalitionsfreiheit) widerspreche. Das Reichsgericht
hat durch Urteil vom 4. Februar 1901 ein Verbot dieses Inhalts, das der
Senat von Lübeck i. J. 1900 in einer Verordnung erlassen hat, als un-
gültig betrachtet und demgemäß die wegen Verletzung dieses Verbots
bestraften Personen freigesprochen. (Reger, XXI 138.) Über die-
selbe Frage vgl. die weiteren Urteile bei Reger XXV 460, Reichs-
gericht in Zivilsachen, Bd. 76, S. 35. Landmann, Gewerbeordnung II®
$. 829. b) Ein Passant fällt auf dem glatten Trottoir und bricht sich
ein Bein. Bei der Beurteilung der gegen die Stadtgemeinde angestrengten
Schadenersatzklage hat das Gericht die Frage zu beantworten, ob, wie
die Polizei behauptet, das Gesetz die Polizei ermächtigt hat, durch
Polizeiverordnung die Trottoirreinigungs- und Bestreuungspflicht auf die
Anlieger zu überwälzen. Kamptz und Delius, Rechtsprechung des
Reichsgerichts und des Kammergerichts auf den Gebieten des öffentl.
Rechts, I S. 255ff., II S. 899. Vgl. ferner Reichsgericht in Zivilsachen
Bd. 45, S. 268. Gruchots Beiträge zur Erläuterung des Deutschen
Rechts Bd. 55, Beilagenband 8. 1165 (Urteil d. Reichsgerichts in Zivil-
sachen, 22. Mai 1911). Zeitschrift für badische Verwaltung, 1911,
S. 19 und Badische Rechtspraxis, 1911, S. 265 (Urteil d. Oberlandes-
gerichts Karlsruhe v. 27. Mai 1910). c) Dem Eigentümer eines Grund-
stücks am Kreuzberg (Berlin) wurde die Bauerlaubnis verweigert unter Hin-
weis auf eine (auf Grund des preuß. Gesetzes über die Polizeiverwaltung v.
1850 $$ 5, 6, 1l erlassene) Polizeiverordnung des Berliner Polizeipräsidiums,
die zum Schutze des Nationaldenkmals auf’ dem Kreuzberg die Über-
bauung der dortigen Gegend untersagte. Das Bezirksverwaltungsgericht
erklärte die betr. Vorschrift der Polizeiverordnung für ungültig und er-
kannte daher, daß die Bauerlaubnis erteilt werden müsse, und das Ober-
verwaltungsgericht bestätigte durch Urteil vom 14. Juni 1882 diese
Rechtsauffassung (Entscheidungen IX S. 354).