Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
Schutzgebiete (II. Recht und Gericht) 
  
entsprechend einer Forderung der chinesischen 
Regierung für die aus China eingeführten Kon- 
traktarbeiter geschehen ist (S 4 Schutzgeb G; 5 2 
Ksl. V v. 9. 11. 00, Rönßl 1005; Gouv. V für 
Ostafrika v. 3. 10. 04 und 10. 1. 10, KBl 749 
bezw. Amtl. Anz. Nr. 20; Gouv. V für Samoa 
v. 6. 1. 12, KBl 246). Eine weitere Ausnahme 
ergibt sich noch für solche Farbige, die Reichs- 
angehörige sind oder als Angehörige zivilisierter 
Staaten, z. B. als Bürger der Vereinigten Staa- 
ten von Amerika, aus völkerrechtlichen Gesichts- 
punkten den Weißen gleich zu behandeln sind. 
Vgl. oben 83 II. 
Die gesetzliche Grundlage für die 
Ordnung der Rechtsverhältnisse 
der Eingeborenen bildet jetzt für die 
afrikanischen und Südseeschutzgebiete die auf 8 1 
Schutzgeb G gestützte Kfsl. V v. 3. 6. 08 (RGBl 397), 
durch welche, um der Verwaltung möglichste Be- 
wegungsfreiheit zu gestatten, der NKK& und mit 
seiner Genehmigung oder Ermächtigung die Gou- 
verneure hierzu für befugt erklärt worden sind 
(unter ausdrücklicher Bestätigung der früher er- 
lassenen, z. T. nicht durch eine Delegation ge- 
deckten Vorschriften). Von einer umfassenden Re- 
gelung ist bisher abgesehen und nur insoweit mit 
Verordnungen eingegriffen worden, als besondere 
Gründe dies erforderlich erscheinen ließen. Die 
Vorschriften betreffen hauptsächlich die Straf- 
rechtspflege und verfolgen den Zweck, diese mit 
gewissen Garantien zugunsten der Eingeborenen 
zu umgeben. Vgl. auch wegen der Kodifikations- 
bestrebungen unten Z III. 
Hervorzuheben sind die Vs g d. RK betr. Gerichtsbarkeit 
über Eingeborene in den afrikanischen Schutzgebieten 
v. 27. 2. 96 (Kolon Gg 2, 213); die Bsg des RK betr. Aus- 
übung der Strafgerichtsbarkeit und Disziplinargewalt in 
Ostafrika, Kamerun, Togo v. 22. 4. 96 (KBl 241), durch 
Gouv. V'g v. 8. 11. 96 (Kolon Gg 2, 204) auch auf Süd- 
west ausgedehnt; Straf V der Neuguinea-Kompagnie v. 
21. 10. 88 (Kolon Gg 1, 555), nebst Nachträgen; Straf B 
des R. für die Marshallinseln v. 10. 3. 00 (Kolon Gg 1, 627); 
die Gouv.B für Ostafrika betr. Gerichtsbarkeit der Bezirks. 
hauptleute v. 14. 5. 91 (Kolon Gg 6, 33) und betr. Rechts- 
geschäfte Farbiger v. 23. 9. 93 (KolBl 486); Gouv. V. betr. 
Rechtsverhältnisse auf Samoa v. 1. 3. 00 (KBl 312) und 
betr. Land- und Namensstreitigkeiten der Samoaner v. 
16. 7. 13 (Gouv. Bl 4, S 200, 221). 
II. Gerichtsbarkeit. Die Gerichtsbarkeit über 
die Eingeborenen wird grundsätzlich nicht durch 
die Richter ausgeübt (eine Ausnahme bildet z. T. 
Samoa), sondern sie ist, da hierfür überwie- 
gende Zweckmäßigkeitsgründe, insbesondere auch 
politische Rücksichten sprechen, den Verwal- 
tungsbeamten (Bezirksamtmännern und 
Stationschefs) übertragen. Nach Möglichkeit wer- 
den auch angesehene Eingeborene (Häuptlinge 
usw.) als Beisitzer mit beratender Stimme be- 
teiligt. Z. T. wird diesen auch die Schlichtung 
minder wichtiger Streitigkeiten überlassen. In 
den Küstengebieten von Kamerun sind über 
den Häuptlingen noch Eingeborenen- 
Schiedsgerichte tätig (gemäß Gouv V in 
Kolon Gg 1, 251; 2, 63 usw.) und in Samoa 
besondere eingeborene Richter eingesetzt. (Die 
Häuptlinge usw. sind nur in Fällen zuständig, bei 
denen lediglich Eingeborene interessiert sind). In 
NGuinea wirken in Strassachen bei schwereren 
Fällen auch zwei weiße Beisitzer mit. Die Ge- 
  
richtsverhandlungen (in Ostafrika 
„Schauri“, in den westafrikanischen Kolonien 
„Palaver“ genannt) pflegen öffentlich und in 
Anwesenheit der Parteien stattzufinden. Das 
Verfahren ist im allgemeinen formlos. So- 
weit tunlich, werden die heimischen Prozeßord- 
nungen entsprechend angewendet (z. T. gemäß 
ausdrücklicher Vorschriften; so ist insbesondere 
durch die V'g des RK v. 27. 2. 96 die Anwendung 
anderer als der in jenen zugelassenen Maßnah- 
men zur Herbeiführung von Geständnissen und 
Aussagen verboten). Die Urteile werden in 
Spruchbücher eingetragen. Nur in wichtigen 
Sachen werden Protokolle ausgenommen und 
Urteile schriftlich abgefaßt. Ein förmlicher In- 
stanzenzug fehlt. Nur in Ostafrika ist in 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen der 
Wert des Streitgegenstandes 1000 Rupien über- 
steigt, Berufung an den Oberrichter (als Beauf- 
tragten des Gouverneurs), ferner in Kamerun 
Berufung gegen die Urteile der Häuptlinge an die 
Eingeborenen-Schiedsgerichte und gegen deren 
Urteile an den Gouverneur gestattet. Sonst 
pflegt in der Praxis nur eine VerwBeschwerde 
beim Gouverneur zugelassen zu werden, der die 
Entscheidungen der Lokalinstanzen aufheben und 
eine erneute Verhandlung anordnen kann. In 
Strafsachen ist eine Art Ersatz für die Be- 
rufung dadurch geschaffen, daß Urteile auf schwerere 
Strafen (Todesstrafe, Freiheitsstrafen über 6 Mo- 
nate, Geldstrafen über 200 Rp. bezw. 300 Mk.) 
der Bestätigung des Gouverneurs unter- 
liegen. Kann in den afrikanischen Kolonien aus- 
nahmsweise, z. B. in Fällen eines Aufruhrs oder 
bei Erklärung des Kriegszustandes die Bestätigung 
des Todesurteils nicht vor der Vollstreckung ein- 
geholt werden, so sind auch hier zwei weiße Bei- 
sitzer an dem Verfahren zu beteiligen (sog. su m- 
marisches Verfahren). 
III. Materielles Recht. Für das bürger- 
liche Recht finden sich nur vereinzelte Vor- 
schriften, namentlich zur Regelung und allmäh- 
lichen Beseitigung der Sklaverei I, die einst- 
weilen noch in der milden Form der sog. Haus- 
sklaverei geduldet wird (Gouv. V für Ost- 
afrika v. 29. 11. 01 und 24. 12. 04, KBl 1904, 
899 bezw. 1905, 2; für Kamerun und Togo die 
Vsg des RK v. 21. 2. 02, K Bl 107, 108). Vgl. 
ferner die Gouv. V für NGuinea betr. das Ehe- 
recht v. 5. 2.04 (Kolon GG 41). Im übrigen ent- 
scheidet freies richterliches Ermessen. Soweit als 
möglich werden in der Praxis, insbesondere bei 
der Beurteilung familien= und erbrechtlicher Ver- 
hältnisse, die Reechtsgewohnheiten der 
Eingeborenen (Stammessrechte und rezi- 
piertes Recht, wie z. B. für die mohammedanische 
Bevölkerung das arabische Recht) zugrunde ge- 
legt, soweit sie nicht, vom Standpunkt einer Kultur- 
nation betrachtet, unsittlich oder unvernünftig 
erscheinen (Erl AuswoAKoldbt. v. 15. 1. O7, 
Koloneg 54). Mit der Feststellung der Rechts- 
gewohnheiten ist jetzt (Ende 1913) eine vom 
Reichs-Kolonialamt eingesetzte Kommission be- 
schäftigt. Gegen den Gedanken einer Kodi- 
fikation des Eingeborenenrechts 
hat sich die Regierung bisher ablehnend verhalten, 
namentlich auch, weil es für unrichtig erachtet 
wird, durch eine solche seine Weiterentwicklung 
zu hemmen. Subsidiär werden die Grundsätze
	        
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